Wenn's brennt, ist (fast) alles erlaubt

In Berlin schnappte man einen Auto-Zündler - mit Hilfe von Videoüberwachungen und Handyortung

  • Richard Claus
  • Lesedauer: 3 Min.
Trojaner, Trojaner ... Als ob die die einzige Gefahr für den Rechtsstaat wären! In Berlin wurde ein Autobrandstifter gefangen. Endlich ein Erfolg! Was stört es da, dass die Polizei offenbar am Rande der Legalität arbeitete. Der Zweck heiligt die Mittel.

Der arbeitslose Täter hatte Frust, Kohlenanzünder - und die Möglichkeiten der Polizei total unterschätzt. In einer Augustnacht brannten in Berlin-Spandau drei Autos. Die Polizei analysierte schon länger Videofilme aus Bussen und U-Bahnen, die in der Nähe von Brandorten fuhren. Immer wieder tauchte darauf Andreas H. auf. Also kümmerten sich die Ermittler um dessen Handy. Dessen Verkehrsdaten zeigten, dass sich der 27-Jährige schon früher in der Nähe von Anschlägen aufgehalten hatte. Die Falle schnappte zu.

Man kann über Speicherfristen von BVG-Videos streiten, doch spätestens nach den U-Bahn-Schlägereien ist die Öffentlichkeit da großzügig geworden. Noch fragwürdiger ist allerdings, wie die Berliner Polizei mit den Möglichkeiten der Handyüberwachung umgegangen zu sein scheint. Die sogenannte Verkehrsdatenabfrage und die Erstellung von Bewegungsprofilen sind nämlich im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz der Hauptstadt so gar nicht vorgesehen und der Ausnahmeparagraf 25a Absatz 1,2 trifft nicht auf den Zündler-Fall zu.

Um nicht missverstanden zu werden: Andres H. gehört - so seine Schuld zweifelsfrei nachgewiesen wird - hinter Gitter. Doch das muss auf rechtsstaatliche Art geschehen. Dass nicht alleine Berlins Ermittler auf juristisch schmalem Grat wandeln, zeigt das Beispiel Hamburg. Auch die Hansestadt wird von Auto-Brandstiftern in Atem gehalten. Auch dort will man den »Verräter Handy« nutzen und dessen Spuren durch das Auslesen sogenannter Funkzellen verfolgen. So kann man feststellen, welcher Handynutzer sich zu welchem Zeitpunkt wo befunden hat. Zehntausendfach. Stellen die Ermittler fest, dass bestimmte Nummern häufiger im Umfeld von Brandorten auftauchen, können sie Telefonbesitzer direkt observieren.

Geschieht den Kriminellen recht, könnte man sagen - wenn man sich nicht erinnert fühlen müsste an die »brandheiße« Funkzellenabfrage von Polizei und Verfassungsschutz im Umfeld der Dresdner Anti-Nazi-Blockaden. Hier beginnen auch die Grenzen zwischen Verhinderung krimineller Taten und politischer Gesinnungsschnüffelei zu verschwimmen. In Dresden hat man im Februar 138 630 Verkehrsdaten (Seriennummern der Mobiltelefone und die dazugehörigen Telefonnummern, Standortdaten, Telefonnummern eingehender und abgehender Anrufe und Kurznachrichten sowie Datum und Uhrzeit der Kommunikation) abgegriffen. Dazu kamen 896 072 vergleichbare Datensätze vom Landeskriminalamt. Was der Verfassungsschutz sammelte, ist weiter stinkgeheim. So wie der Einsatz von IMSI-Catchern. Damit bestimmt man auf den Meter genau den Aufenthaltsort einer Zielperson, deren Gespräche man selbstverständlich abhören kann. Das alles lässt sich ergänzen durch Trojaner, Raster- Schleier- und Schleppnetzfahnung sowie Kennzeichenerfassung und mehr.

Der gläserne Bürger - nur Panikmache? Bei den neuartigen High-Tech-Möglichkeiten ist noch vieles im Fluss. Auch gesetzlich. Nur 11 von 16 Bundesländern haben bislang eine spezielle Ermächtigungsgrundlage für Verkehrsdatenabfragen zu Zwecken der Gefahrenabwehr oder Kriminalprävention. Und wo sie existiert, egal ob mit Richtervorbehalt oder ohne wie in Brandenburg, ist sie immer nur dann zulässig, wenn Gefahr für Leib und Leben oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes besteht. Nebulöser geht es kaum.

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