Schichtung und Zäsur
Die Galerie Zeisler zeigt Malerei und Skulptur von Helmut Senf
Kasimir Malewitsch hatte sein berühmtes »Schwarzes Quadrat auf weißem Grund« - erstmals 1915 gezeigt und rasch zur Ikone der Moderne geworden - noch exakt in die Mitte des Bildes gerückt. Über Farbwerte und ihren Zusammenklang mit der Form, ja sogar der Musik hat sich rund ein Dezennium später Wassili Kandinski, ebenfalls Russe und späterer Bauhaus-Lehrer, ausgiebig Gedanken gemacht. Beides, Geometrie und Farbwert, so mag man meinen, hat in seinem malerischen Oeuvre und auf seine Weise Helmut Senf zu vereinen gesucht.
Künstlerisch vielfältig verlief der Lebensweg des 1933 im Thüringischen Mühlhausen Geborenen. Nach der Lehre als Dekorationsmaler studierte er an der Burg Giebichenstein in Halle Emailgestaltung, war dort später auch Gaststudent bei einem Metallbildhauer, gründete in Erfurt, wo er fast 20 Jahre in eigener Werkstatt als Metall-, Email- und Schmuckgestalter arbeitete, mit mehreren Künstlern eine Ateliergemeinschaft. Lehraufträge, auch in Halle, folgen; seit 1994 lebt Helmut Senf in Sassnitz. Den vielen Ausstellungen sowie den internationalen Ausstellungsbeteiligungen, von Baku über Damaskus und Peking bis Vilnius und Warschau, schließt sich derzeit eine weitere Exposition in der ihm eng verbundenen Galerie Zeisler an.
Aus seinem umfangreichen Schaffen, das in mehr als einem halben Jahrhundert Kunsthandwerk, Bild und Skulptur einbegreift, zeigt die Galerie knapp 30 Werke der Bereiche Malerei und Skulptur aus den letzten sechs Jahren und nennt die Zusammenschau, wie Senf selbst mit vielen seiner Arbeiten verfährt, »ohne Titel«. Das regt umso mehr die eigene Fantasie an.
In den gezeigten malerischen Exponaten, ausgeführt in Acryl auf Leinwand, spürt man Senfs Fasziniertsein von geometrischen Konstellationen. So zerlegen drei kleine Studien aus der Serie »triangulär« immer aufs Neue die Dreiecksform, wie sie bereits das Leinwandformat vorgibt, durch Linien in dann auch farblich verschiedene Unterdreiecke respektive andere Formgebilde. Alle übrigen Werke setzen quadratische Leinwände ein.
Im Unterschied zu Malewitschs »Quadrat« aber kantet Senf seine geometrischen Figuren an, lässt glatte Farbflächen in Weiß, Schwarz, Blau, Ocker, Orange, Rottönen aufeinanderprallen, schafft farbliche Zäsuren oder überlappt die Formen leicht, was den Eindruck der Schichtung in der Fläche vermittelt. In jedem Fall erzeugt das Verfahren eine oft harmonische, bisweilen schroffe Spannung. Besonders da, wo Senf Winkel, rechte ebenso wie auch spitze, und Parallelen einführt. Manche der Flächen sind eher sparsam, andere wieder beinah wütend dicht gewinkelt. Winkel der einen Farbe scheinen drängend, fast kämpferisch in die andere Farbe vorstoßen zu wollen. Zusätzlich greift dann die Farbe mit ihrem Stimmungswert in den - will man Kandinski zitieren - Bildklang ein.
Selten nur tragen die Werke konkrete Titel. Auf »Shoa« durchfährt die Studie von Schwarz oben über schmales Blau hin zu Aubergine am unteren Rand ein pinkfarbener Winkel wie Fleischerhaken oder Blitz. Das Tripel »Wahnfried« mag bildhaft wiedergeben, wie Senf die Begegnung mit Richard Wagners 1874 bezogenem Wohnhaus empfand: ein vielwinkliger, düsterer Zyklus von Schwarz als Grundton über Dunkelblau zu Graublau hin.
Drei Exponate stehen für den Plastiker Helmut Senf. Verglast an der Wand hängt »red box« als Relief, bei dem vier gefaltete rote Pappteile den violetten Untergrund als in sich verschobene Raute durchscheinen lassen.
Bis 2.11., Galerie Zeisler, Telefon (030) 44 79 35 11
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