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Luftschiffbauer Schütte schwebt unangetastet
Bündnis gegen Rechts kann Benennung von Gewerbeparks nach Rüstungsproduzenten nicht stoppen
Unermüdlich kämpft Frank Rauhut vom Bündnis gegen Rechts für die Umbenennung des Schütte-Lanz-Gewerbeparks in Königs Wusterhausen. Der Luftfahrtpionier Johann Heinrich Schütte sei »militanter Nationalist vom Scheitel bis zur Sohle« gewesen - »und das sein ganzes Leben lang«, erklärt Rauhut, warum der bereits im Jahr 2007 verliehene Name nicht geeignet sei. Es gebe von Schütte »klare Bekenntnisse zum Nationalsozialismus in Hülle und Fülle«. Er sei ein Kriegstreiber gewesen, der noch kurz vor seinem Tod 1940 den Überfall der faschistischen Wehrmacht auf Polen bejubelt hatte und der die Toten von Langemarck als Helden verherrlichte. In der Schlacht von Langemarck opferte das kaiserliche Heer im November 1914 etwa 2000 mangelhaft ausgebildete Rekruten bei dem gescheiterten Versuch, die Front des Gegners zu durchbrechen.
In seiner Heimat ist Rauhut mit seinen Argumenten bislang nicht durchgedrungen. Dafür hatte er im badischen Brühl bereits einen Etappensieg errungen. Doch es gab einen Rückschlag. An der ehemaligen Schütte-Lanz-Luftschiffwerft in Brühl befand sich eine 95 000 Quadratmeter große Industriebrache. Die Finnforest Schütte-Lanz GmbH hatte hier noch bis 2007 Verschalungsplatten aus Sperrholz hergestellt, die Produktion dann aber nach Rumänien verlegt.
Die Weidenhammer-Gruppe erwarb das Areal und beauftragte die Haus+Co Projektmanagement GmbH, dort ein neues Gewerbegebiet einzurichten und zu vermarkten. 2009 begannen die Arbeiten. Es wurde aufgeräumt, gerodet und abgerissen. Zufahrten mussten wieder frei gemacht werden, Bauschutt und Industriemüll musste entsorgt werden, darunter allein 8600 Quadratmeter Asbestplatten und 180 Tonnen Dachpappe. Auf der hiesigen Werft hatten Johann Schütte und Karl Lanz einst ihr erstes Luftschiff starten lassen. Von der Vergangenheit zeugt noch die historische Montagehalle. Darum lag es nahe, dem Gewerbegebiet den Namen Schütte-Lanz-Gewerbepark zu geben. Auf diesen Umstand stieß Frank Rauhut bei einer Internetrecherche. Er informierte Brühls Bürgermeister Ralf Göck (SPD) und versorgte ihn mit Material.
Göck hatte als junger Mann den Wehrdienst verweigert. Als er jetzt von dem Streit in Königs Wusterhausen hörte, schlug er den Investoren vor, lieber die Bezeichnung Luftschiffhafen-Gewerbepark zu verwenden. Mit dem Wissen von heute sollte man die Benennung Schütte-Lanz eigentlich unterlassen, findet Göck. Doch sein Vorschlag setze sich auf längere Sicht nicht durch. »Es gab Verwechslungen, weil es bei uns einen Luftschiffring gibt«, berichtet der Bürgermeister. Von dort gebe es keine Einfahrt zum Gewerbegebiet. »Die Leute sind falsch gefahren.« Wo in Brühl Schütte-Lanz sei, »das wissen alle«. Das nahmen die Investoren zum Anlass, dass Gelände doch wieder Schütte-Lanz-Gewerbepark zu nennen.
In Königs Wusterhausen führte der unermüdliche Kampf von Rauhut und anderen immerhin dazu, dass eine Sachverständigenkommission eingesetzt wurde. Die Ergebnisse, zu denen die Sachverständigen nach fünf Beratungen gelangten, sind bereits übergeben, aber noch nicht veröffentlicht.
Nach nd-Informationen konnten sich die fünf Experten nicht auf ein einheitliches Votum einigen. Ein Sachverständiger sprach sich eindeutig für eine Umbenennung aus. Er bezweifelt, dass Professor Schütte im Sinne eines demokratischen Verständnisses im 21. Jahrhundert eine Vorbildfunktion hat. Ein zweiter Sachverständiger vertrat die Ansicht, dass die Namensgebung so nie hätte erfolgen dürfen. Man hätte es bereits im Jahr 2007 besser wissen müssen. Dieser Sachverständige verlangte aber nicht klar, die Namensgebung rückgängig zu machen. Die drei übrigen Experten empfehlen ausdrücklich, es beim Namen Schütte-Lanz-Gewerbepark zu lassen. Die wissenschaftlichen und unternehmerischen Leistungen des Professors sprechen ihrer Meinung nach dafür. Von Schütte seien unmenschliche oder antisemitische Äußerungen nicht überliefert. Der Name des Gewerbeparks müsse nicht peinlich sein. Wirtschaftliche Nachteile wären nicht zu erwarten. In dem Gremium saßen beispielsweise der Regionalforscher Fred Bruder und die Historikerin Kristina Hübner. Wer welche Position einnahm, ist nicht gekennzeichnet. Das bleibt absichtlich im Dunkeln.
Die Empfehlung sei ein »Skandal«, beschwert sich Frank Rauhut. Inhaltlich sei das Mehrheitsvotum nicht logisch, weil die Sachverständigen die problematische Seite im Wirken Schüttes doch anerkannten, erklärt der Arzt, der nicht gewillt ist, nun aufzugeben. Positiv vermerkt er die Anregung der Kommission, sich künftig kritisch und differenziert mit dem Fall auseinanderzusetzen. Denkbar wären eine Podiumsdiskussion, Projekttage an Schulen, ein Kapitel in der Ortschronik und eine Darstellung im Heimatmuseum, meinten die Sachverständigen.
Mit diesen Ideen kann sich Rauhut anfreunden. Ohnehin organisierte er bereits selbst eine Veranstaltung mit dem Titel »Wer war Professor Johann Schütte?« Anlass ist, dass vor 100 Jahren das erste Schütte-Lanz-Luftschiff in Brühl startete. Vier Kurzvorträge sollen am 3. November auf die Diskussion einstimmen: Luftfahrtenthusiast Michael Dittebrand spricht über die Bedeutung Schüttes als Luftfahrtpionier, Frank Rauhut informiert über die politische Weltsicht des Professors, Harald Potempa vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr erläutert die deutsche Luftkriegsdoktrin im Ersten und Zweiten Weltkrieg und Theologe Dietrich Wegmann redet über die Ehrfurcht vor dem Leben und die Verantwortung des Forschers. Ob die einzelnen Referenten eine Umbenennung des Gewerbeparks befürworten, interessiere ihn gar nicht, versichert Rauhut. Sollten sie es nicht tun, dann gebe es wenigstens eine spannende Debatte.
Diskussion »Wer war Prof. Johann Schütte?«, 3. November, 18 Uhr, Bürgerhaus »Hans Eisler«, Eichenallee 12 in Königs Wusterhausen
Nachdem 1908 in Echterdingen ein Zeppelin abgestürzt war, wertete Schiffbauingenieur Johann Schütte Berichte und Fotos aus, um die Ursache zu ergründen. Er machte dem Grafen Zeppelin Verbesserungsvorschläge. Der lehnte aber ab. Also entschloss sich Schütte, selbst Luftschiffe zu bauen. Als Geldgeber gewann er den Landmaschinenfabrikanten Karl Lanz. Mit ihm errichtete er 1909 in Brühl bei Mannheim eine Luftschiffwerft. Eine zweite Werft entstand während des Ersten Weltkriegs in Zeesen, das heute zu Königs Wusterhausen gehört. Schütte beachtete bei seiner Konstruktion die Stromlinienform. So erreichte er, dass sich die Luftschiffe besser steuern ließen. Damit machte es Schütte erst möglich, Zeppeline zur Bombardierung Englands einzusetzen. Zwar produzierten Schütte und Lanz im Ersten Weltkrieg bloß 22 Luftschiffen, davon zwei in Zeesen. Doch ihr Prinzip wurde auf viele Zeppeline angewendet. Bis 1918 flogen etwa 200 Luftschiffe über 50 Kriegseinsätze. Sie warfen 5800 Bomben und töteten 550 Menschen.
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