Kampagne verfing nach Wunsch

»taz« veröffentlicht Dokumente zur Öffentlichkeitsoffensive des Atomforums vor der Bundestagswahl

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit einer Werbekampagne hat das Deutsche Atomforum versucht, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Jetzt wird die Rolle der Lobbyisten neu diskutiert.

Der Erfolg schien ihnen recht zu geben: Im Oktober 2009 legte die neu gewählte schwarz-gelbe Koalition die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke fest. Zuvor hatten die großen Energiekonzerne massiv versucht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Die Tageszeitung »taz« veröffentlichte am Wochenende interne Dokumente der Kommunikationsagentur Deekeling Arndt Advisors, die vom Atomforum beauftragt war, »bis zur Bundestagswahl eine Grundstimmung pro Laufzeitverlängerung herzustellen«.

Die Agentur wertet darin ihre drei Millionen Euro teure Kampagne aus: Neben Politikern waren die Medien herausragende Zielgruppe. Im Fazit heißt es: »Die meinungsführende Presse verzichtet auf eine klare Festlegung zum Thema« und »die teilweise anachronistische Haltung der Kernkraftgegner wird mehr und mehr zum Gegenstand der Berichterstattung«.

Ein Mittel war eine Pressereise mit »Key-Journalisten deutscher Meinungsführer-Medien«: Mit einem »Brückenschlag zum Vorzeigeland Schweiz«, das nüchtern über Atomkraft diskutiere, sollte gezeigt werden, dass die Deutschen mit ihrer Angst vor der Technologie recht alleine dastehen. Das Fazit der PR-Agentur: »Pragmatismus der Schweiz verfängt in Medienberichten«. Nur eine Zeitung hatte sich kritisch auseinandergesetzt, die anderen hatten in ihren Artikeln die bezahlte Reise noch nicht mal erwähnt.

Zudem hat die Agentur immer wieder Beilagen, Interviews und Meinungsartikel in verschiedenen Medien platziert. Dabei war selten erkenntlich, dass die Texte PR-gesteuert waren. So konnte der konservative Historiker Arnulf Baring den Dokumenten zufolge für einen Gastvortrag zum 50. Jubiläum des Atomforums sowie für einen ganzseitigen Gastbeitrag in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« gewonnen werden. In der Zeitung erschien weder ein Hinweis auf die Lobbyorganisation noch darauf, dass Baring dafür von der Atomlobby bezahlt wurde.

Nichtregierungsorganisationen fordern seit Langem mehr Transparenz im Lobby-Geschäft. Jetzt stehen besonders die beteiligten Medien in der Kritik. Der Geschäftsführer von LobbyControl, Ulrich Müller, forderte die Redaktionen auf, »Stellung zu beziehen«.

Doch nicht alle Maßnahmen waren erfolgreich. So hat ein Wissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin nach eigenen Angaben eine Studie zum »Nutzen der Kernenergie in Deutschland« nicht fortgeführt, da er »kein Gefälligkeitsgutachten« schreiben wollte. Auch ein Stand beim Evangelischen Kirchentag wurde abgelehnt.

Das Atomforum bemüht sich derweil um Gelassenheit. Es sei »ein üblicher Vorgang, dass man über Öffentlichkeitsarbeit versucht, die Öffentlichkeit zu beeinflussen«, sagt Geschäftsführer Dieter Marx.

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