Kulinarische Kunst
Beatriz Milhazes in der Galerie Hetzler
Viel Raum lässt ihnen die Galerie Hetzler. Pro Zwischenwand in der gewaltigen Ausstellungshalle hängt auf weißem Grund je eine der Collagen von Beatriz Milhazes. Auf streng gestreiftem Fond, verschieden lediglich in der Farbe, klebt Einwickelpapier von Bonbons und Pralinés in bestimmtem Raster. Darüber hat die Künstlerin ebenso farbige Scherenschnitte gelegt. Durch diese Mehrfachschichtung entstehen dynamische Pop-Art-Gebilde, von denen keins dem anderen gleicht und die der Fläche räumliche Tiefe abringen.
»Cacau« etwa bringt einen großen Ring voller kleiner »Farbpillen« sowie weitere Voll- und Halbringe an. »Noir Extra«, aber auch »Ginger Candy« und »Chocolate cum Gianduia« liest man auf dem Hochformat »Noir«. Kunst und kulinarische Erinnerung finden hier zusammen. Auf »Carlyle« hat sich als wiederholt eingesetztes Motiv auch das Peace-Zeichen eingeschmuggelt, rechts unten taucht gegenständlich ein Stück roter Telefonzelle auf; das unterschiedliche Golddesign des Papiers, wellig oder streifig, verleiht der Collage zusätzlich Glitzermuster. Die Experimente in Europas 1920ern mit ihren vielfältigen Form- und Farbspielen mögen dabei Pate gestanden haben.
Riesig ist der Jahreszeiten-Fries. Er beginnt mit »Summer Love«, bei dem auf dem Strahlengefecht der Sonne gewaltige Blütenornamente schweben. »Autum Love« lässt auf blauer Querstreifung eine einzige Blüte prismatisch sich entfalten.
Was Beatriz Milhazes in ihren Collagen und jenem Jahreszeiten-Zyklus in der Fläche erprobt, hat die 1960 geborene Künstlerin mit dem Mobile »Gamboa« in den Raum transponiert. Diese ihre erste Installation entstand ursprünglich als Bühnenbild für die Tanzschule ihrer Schwester und wurde von einer Sambaschule in Rio erweitert. Was sich nach unserer Auffassung bedrohlich dem Kitsch nähert, die pastellfarbenen Kunstblumen und der Weihnachtsschmuck, dekoriert die Wagen beim Karneval von Rio, zitiert tropische Vegetation und mag auch dem unbekümmerten südamerikanischen Lebensgefühl entsprechen. Dass es selbst den kühleren Mitteleuropäer bezaubert, ist nicht zu leugnen.
Bis 5.11., Galerie Hetzler
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