Premier auf Abruf
Giorgos Papandreou rettet sich in eine Übergangsregierung
In Griechenland überschlugen sich auch am Donnerstag die Ereignisse. Bereits am Vormittag erklärten zwei weitere Abgeordnete der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK), dem Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou in der für Freitagnacht angesetzten Abstimmung das Vertrauen verweigern zu wollen. »Ich bin nicht bereit, in irgendeiner Weise an irgendeiner Form des Zweifels am europäischen Weg unseres Landes teilzunehmen«, begründete Elena Panariti ihre im griechischen Radio verkündete Entscheidung. Und die Abgeordnete Eva Kaili teilte Papandreou in einem Brief mit, »in derart kritischen Momenten« stelle »das in der Volksbefragung gestellte Pseudodilemma einen weiteren spaltenden Prozess für die griechische Gesellschaft dar«. Auch die Abgeordnete Athanasia (Soula) Merentiti wurde am Donne rstag als mögliche Abweichlerin gehandelt. Doch schon mit zwei »Nein«-Stimmen hätte Papandreou die notwendige einfache Mehrheit von 151 Stimmen im 300-köpfigen Parlament verloren.
Auch innerhalb der Ministerriege trifft der Regierungschef zunehmend auf Widerstand. Noch in der Nacht zum Donnerstag, unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Frankreich, ging Vizepremier und Finanzminister Evangelos Venizelos offen auf Konfrontationskurs zu Papandreou. »Der Platz Griechenlands im Euro ist eine historische Errungenschaft des Landes und kann nicht von einem Referendum abhängig gemacht werden«, erklärte Venizelos gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Unter den derzeitigen Bedingungen sei eine Volksbefragung »genau das, was das Land nicht braucht«.
Es ist das erste Mal seit seiner Ernennung zum Finanzminister und Vizepremier, dass sich sein alter politische Rivale offen gegen Papandreou stellt. Nach der Niederlage der PASOK bei den Parlamentswahlen 2007 hatte Venizelos in den darauffolgenden Wahlen für den Parteivorsitz gegen Papandreou kandidiert, der gewann das Amt des Vorsitzenden jedoch mit deutlichem Vorsprung. Seitdem Papandreou jedoch in der eigenen Partei und Fraktion zusehends unter Druck gerät, profilieren sich auch die potenziellen Parteichefs einer Nach-Papandreou-Ära deutlich. Neben Venizelos sind dies vor allem Bildungsministerin Anna Diamantopoulou und Gesundheitsminister Andreas Loverdos. Der Gesundheitsminister schloss sich noch am Donnerstag der Kritik des Finanzministers am Parteichef an. Auch die Bildungsministerin sprach sich für einen unbedingten Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus.
Am Donnerstagmittag tagte erneut der Ministerrat, im Anschluss fand eine Sitzung der Parlamentarierfraktion der PASOK statt. Bereits vor dieser sprach sich eine Gruppe von Abgeordneten für die Bildung einer »Regierung zur Nationalen Rettung« unter dem ehemaligen Vizechef der Europäischen Zentralbank, Loukas Papadimos, aus. Gleichzeitig wurden aus dem Büro des Ministerpräsidenten jegliche Gerüchte über einen möglichen Rücktritt Papandreous dementiert. Stattdessen stimmte er einer Übergangsregierung zu.
Der Vorsitzende der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia forderte die Rücknahme des Referendumsplans sowie die Bildung einer neutralen Übergangsregierung für die Verabschiedung der Schuldenschnittvereinbarung im Parlament mit anschließenden Neuwahlen. »So wie sich die Dinge mit der Politik der Regierung entwickelt haben, ist die Unterschrift unter die neue Vereinbarung unvermeidlich und muss sichergestellt werden«, erklärte Antonis Samaras am Donnerstagmittag. Zwar halte die Nea Dimokratia an ihrer Ablehnung der von der PASOK umgesetzten Maßnahmen fest. »Wir lehnen aber nicht die Ziele der Übereinkunft ab«, so Samaras, »sondern die Politikmischung, die uns ohnehin weg von diesen Zielen geführt hat.«
Sofortige Neuwahlen forderten auch die Parteien der Linken. »Das Volk hat bei irgendwelchen Veränderungen, seien sie innerhalb der PASOK, seien sie mit einer Regierung der Nationalen Rettung, nur zu verlieren«, erklärte die Generalsekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands, Aleka Papariga. Wahlurnen statt Referendum am 4. Dezember forderte der Fraktionsvorsitzende der griechischen Linksallianz SYRIZA, Alexis Tsipras. »Jeder andere Zug ist nur eine versuchte Ablenkung.«
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