PLATTENBAU

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Wenige haben das deutsche Popmusik-Liedgut der Nachkriegszeit so erweitert und beeinflusst wie Udo Lindenberg. Jeder kennt wenigstens ein paar Songs von ihm. Und mit Sicherheit, trotz eines unüberschaubaren Œvres, hat er einige davon Anfang Juni bei einer MTV-Unplugged-Session in Hamburg - wo sonst? - aufgeführt, die jetzt auf ein Doppelalbum gebannt in den Plattenhandel gekommen ist.

Was an diesen MTV-Unplugged-Alben eigentlich noch »unplugged« ist - das wäre ein interessanter Gegenstand für einen anderen Artikel. Eine wiedererkennbare Ästhetik und ein anheimelndes Sounddesign sind diesen Produktionen, zu denen beinahe jeder bekannte Künstler irgendwann eingeladen wird, allerdings eigen. Deswegen kommt hier keine weitere Best-of-Scheibe in die Läden. Hier werden Diamanten erst noch einmal geschliffen und aufpoliert, um in neuem Glanz zu erstrahlen.

Die 24 Songs sind sorgsam ausgewählt, eine Quintessenz von Udo Lindenbergs Lebenswerk. Ob Hymnen über das Fernweh wie »Er wollte nach London« und »Goodbye Sailor« oder über herzzerreißende Amouren, wie das grandiose »Ich lieb dich überhaupt nicht mehr« - Lindenbergs lyrisches Talent ist groß und in einer Kompilation dieser Art kommt es voll zur Geltung. Sogar das Thema Alkoholismus kann er sich in der erschütternden Trinkerballade »Unterm Säufermond« vornehmen und dabei nonchalant bleiben, ohne an Tiefgang zu verlieren. Was es an Flops und Peinlichkeiten gegeben hat in seiner Karriere, bleibt außen vor. Der Rest wird auf Unvergänglichkeit geprüft, in zeitlos schöne Arrangements gewickelt, mit halbwegs subtilem orchestralem Pomp versehen und technisch blankgewienert.

Nur Udos »Locker wie’n Rocker«-Genuschel bleibt das alte. Man hörte ihm selbst über die volle Länge zweier Silberscheiben gern zu. Die zahlreichen Gäste, die die eine solchen Show unvermeidlich bereichern mussten, hätte Lindenberg überhaupt nicht nötig gehabt. Am nähesten geht es einem, wenn Udo Lindenberg einfach Lieder von Udo Lindenberg singt. Trotzdem gibt es ein paar hörenswerte Einlagen, zum Beispiel das gewitzte »Reeperbahn«-Duett mit dem ebenfalls dauernörgelnden Hamburger Jan Delay. Das passt. Auch Liedermacher Clueso macht in »Cello« keine schlechte Figur, selbst Stefan Raab darf sich einbringen und hat ja durchaus Talent. Vermisst hätte ihn keiner, ebenso wenig wie Inga Humpe, die ohne groß aufzufallen in einer rockigen Version von »Ein Herz kann man nicht reparieren« auftritt. Spätestens der gequetschte Möchtegern-Soul von Nathalie Dorra oder das peinliche Feature Max Herres, der einmal mehr seinen uninteressanten Sprechgesang loswerden darf, stören dann aber im kultigen Liedermix.

Trotzdem: Dieses Doppelpack ist nicht nur etwas für eingeschworene Lindenberg-Fans, sondern für alle, die zu seinen Liedern schon einmal feuchte Augen bekommen haben, ob es nun hieß »Wozu sind Kriege da«, »Was hat die Zeit mit uns gemacht« oder »Hinterm Horizont geht’s weiter«. Eigentlich also für jedermann. Denn seien wir ehrlich, irgendwann hat uns Udo alle schon einmal gekriegt. Sebastian Blottner



Udo Lindenberg: MTV Unplugged / Doppelzimmer (Warner)

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