Mehr Kosten als Nutzen
Oettinger soll 2009 die Preisexplosion bei Stuttgart 21 vertuscht haben
Die Gegner von Stuttgart 21 fühlen sich bestätigt: Offenbar hat die Landesregierung unter Günther Oettinger (CDU) bereits 2009 Kostenberechnungen zu Stuttgart 21 verhindert. »Spiegel online« zitiert aus einem Papier des Innenministeriums, das die Gesamtkosten mit mindestens 4,9 bis 6,5 Milliarden Euro veranschlagt.
Drei Wochen vor der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 ist die Meldung Wasser auf die Mühlen der Bahnhofsgegner. »Ich freue mich, dass immer mehr aufgedeckt wird und dass es offenbar verantwortungsbewusste Beamte in den Ministerien gegeben hat, die frühzeitig Alarm geschlagen haben«, erklärt Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND sowie Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. »Und besonders freue ich mich, dass diese Information vor der Volksabstimmung kommt.«
Demnach soll Oettinger sich nach den Warnungen aus dem Innenministerium weitere Berechnungen verbeten haben. »Auf Wunsch des Herrn MP«, zitiert der »Spiegel«, sollte von »neuen Kostenberechnungen abgesehen werden«, weil höhere Zahlen »in der Öffentlichkeit schwer kommunizierbar« seien. Zudem befürchtete man, »dass die SPD bei Bekanntwerden der Kostenentwicklung von dem Projekt abrücken wird«.
Offiziell kostet der Bau 4,1 Milliarden Euro, laut Vertrag maximal 4,5 Milliarden. Den Kostendeckel hat die grün-rote Regierung mehrmals betont. Mehr als der vereinbarte Landesanteil von 900 Millionen werde nicht bezahlt. »Wir haben ja bereits mehrmals erklärt, dass der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro unserer Ansicht nach nicht gehalten werden kann«, erklärt der Sprecher des grünen Verkehrsministeriums, Edgar Neumann. Die neuen Details aus dem »Spiegel« würden geprüft.
Für Dahlbender sind die sechs Milliarden nicht neu: »Das entspricht fast genau den Berechnungen des Gutachtens von Vieregg & Rössler vom Sommer 2008, das wir zusammen mit der Stadtratsfraktion der Stuttgarter Grünen in Auftrag gegeben hatten.« Wenn das Projekt tatsächlich so viel koste, sei es nicht mehr wirtschaftlich. Wenn nach der standardisierten Kosten-Nutzen-Berechnung ein Faktor von unter eins herauskomme, dürfe auf keinen Fall gebaut werden.
Die Veröffentlichung könnte vor allem die SPD in Bedrängnis bringen. »Nun ist doch eindeutig, dass dem Parlament die echten Zahlen gezielt vorenthalten wurden«, empört sich Dahlbender. »Wenn sie ehrlich sein will«, müsse nun die SPD einräumen: »Wir sind betrogen worden.«
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