»Die Stadt ist großartig«
Junge Spanier sammeln in Berlin berufliche Erfahrung
Die 22-jährige spanische Stomatologiestudentin Itziar macht ein Praktikum über das Mobilitätsprogramm Leonardo Da Vinci der EU in Berlin. Zwei Monate lang arbeitet sie in einem Dentallabor in Hellersdorf. Geld bekommt sie keines dafür. Doch in Spanien ist die Jugendarbeitslosigkeit hoch, die höchste im EU-Raum. Für Itziar ist das Praktikum eine Chance, überhaupt berufliche Erfahrungen zu sammeln.
Das Programm Leonardo Da Vinci ist von der Europäischen Union aufgelegt. Junge Europäer sollen einige Zeit in einem anderen EU-Land arbeiten können. Wegen der Krise im Süden des Kontinents profitiert Berlin derzeit von dem Programm. Viele gut ausgebildete und hoch motivierte Fachkräfte kommen hierher. Eine bezahlte Praktikumsverlängerung oder eine Festanstellung im Anschluss an das Praktikum seien derzeit nicht selten, erzählt Nieves Flores, eine Deutschspanierin.
Flores ist Geschäftsführerin der Agentur DABAI, die die jungen Spanier betreut. Sie kümmert sich um Praktikumsplätze und Zimmer, um Deutschkurse, Flugbuchungen und die medizinische Versorgung. »Zwischen 70 und 100 Spanier kommen pro Jahr über das Programm«, erzählt sie. Sie erlebe jedes Mal eine große Begeisterung für die Stadt. »Den Praktikanten gefällt die Offenheit der Berliner. Sie finden Berlin bunt, frei und lebendig. Sie schätzen das riesige Kulturangebot. Sie sind überrascht von der Vielzahl der Nationalitäten hier und der Eigenartigkeit der Menschen in der Stadt.«
Die 22-jährige Itziar ist nicht nur zum Arbeiten nach Berlin gekommen. »Die Stadt ist einfach großartig, und jeden Abend gehe ich mit den Leuten aus meiner Praktikumsgruppe woanders hin«, erzählt sie begeistert. Sie war auf der Museumsinsel und fasziniert davon, dass man im Mauerpark einfach so Karaoke singen kann. Discos und Grillen stehen noch auf dem Programm. Itziar will nach dem Praktikum nach Spanien zurückkehren und weiter studieren. »Ich möchte aber auf jeden Fall irgendwann nach Berlin zurückkehren«, sagt sie.
Konkreter sehen die Pläne von Irina aus, die von Februar bis April in Berlin einer jungen Firma half, die spanische Variante der Website aufzubauen. Mit den Kollegen und im Alltag verständigte sie sich auf Englisch, und das empfand sie als Mangel. Irina hat nach der Rückkehr ihr letztes Semester in BWL absolviert und will ein Jahr lang Deutsch lernen, um sich anschließend einen Job in Berlin zu suchen. »Ich habe mich einfach in die Stadt verliebt«, sagt die Spanierin.
Auch José möchte nichts lieber als hier bleiben. Der Jung-Ingenieur, der in Spanien arbeitslos war, schätzt die Toleranz in der Stadt. Er hat eine arabische Mutter und wurde in Spanien wegen seines arabischen Aussehens häufig diskriminiert. »In Berlin wurde ich mit großer Offenheit empfangen«, sagt er. Sein Problem: José spricht keine Fremdsprache gut genug, um hier arbeiten zu können. Im Praktikum muss ein mexikanischer Kollege als Dolmetscher helfen. »Es fällt mir sehr schwer, Fremdsprachen zu lernen. Aber ich weiß, ohne Deutschkenntnisse kann ich hier nicht heimisch werden.«
Auch manche Berliner profitieren von den spanischen Praktikanten, indem sie Zimmer an sie vermieten. Wer bereit ist, mit einem jungen Spanier Küche und Bad zu teilen, kann sich einen Hartz-IV-Umzug sparen. Und es kann auch bereichern, Berlin durch die Augen von Praktikanten zu sehen.
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