Sächsischer Verschiebebahnhof
Regierung in Dresden plant Behördenreform mit vielen Unbekannten
Die Sächsische Landesstiftung für Natur und Umwelt sitzt im Blockhaus, einem historischen Gebäude in Dresden zwischen Elbufer und Goldenem Reiter, in dem sie häufig gut besuchte Veranstaltungen ausrichtet. Ob auch künftig so viele Gäste kommen, ist offen: Die Stiftung soll umziehen - mitten in den Tharandter Wald. Die Gründe, die in einem »Standortkonzept« der sächsischen Staatsregierung zum Behördenumbau im Freistaat angegeben werden, sind in sprödem Behördenjargon formuliert. Die Bürger verstehen sie nicht, fürchtet Joachim Schruth vom Naturschutzbund Nabu: »Bei denen bleibt hängen: Die verpulvern unser Geld.«
Dieses Gefühl beschleicht auch die Abgeordneten des Landtags, die wohl noch dieses Jahr über die Behördenreform entscheiden sollen, über deren Sinn bislang aber nicht befinden können. »Die finanziellen Auswirkungen sind völlig unklar«, begründet das die Grüne Eva Jähnichen. Ob wirklich Geld gespart wird, wenn Straßenbauämter verlagert, Finanzämter fusioniert oder Gerichte verkleinert werden, weiß im Landtag niemand: »Wesentliche Daten liegen uns nicht vor.« Grund dafür ist, dass die Reform wohl im Detail noch gar nicht durchgerechnet ist: »Wirtschaftlichkeitsberechnungen stehen im Einzelfall aus«, räumte Dieter Janosch, der Geschäftsführer des landeseigenen Immobilienbetriebs SIB, gestern in einer Anhörung ein. Ob sie zu einem positiven Ergebnis kämen, lassen die Schaubilder, die Janosch zeigte, bezweifeln. Aus einem der Diagramme etwa geht hervor, dass ein Amtsgericht von Annaberg nach Marienberg umziehen muss, weil das Gebäude für das bisher in Zschopau ansässige Finanzamt gebraucht wird. Dorthin wiederum wird das Landesamt für Straßenbau verlagert, das bisher in Döbeln sitzt. In die Kleinstadt soll schließlich der jetzt noch in Leipzig ansässige Landesrechnungshof ziehen. Die Aufbaubank wiederum geht von Dresden nach Leipzig. Im Landtag werden angesichts solcher Pläne die Köpfe geschüttelt: Einen »grotesken Domino-Effekt« sieht der LINKE-Innenpolitiker Rico Gebhardt.
Plausible Begründungen für die Notwendigkeit der Ketten-Umzüge vermögen auch Experten wie Knut Schreiter, der Landeschef des Steuerzahlerbundes, nicht zu erkennen. Es würden »gute Maßnahmen mit politischen Geschenken in einen Topf« geworfen; die Wirtschaftlichkeit sei nicht nachgewiesen: »Das wirkt wie Basta-Politik.« Dass Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) Kritik am Umzug der Aufbaubank zuletzt brüsk vom Tisch wischte, sei Wasser auf die Mühlen der Skeptiker. Schreiter fordert Offenheit: »Man muss Vor- und Nachteile der Reform transparent machen!«
Bisher ist die Regierung davon weit entfernt; Finanzminister Georg Unland (CDU) hat kürzlich eingeräumt, dass selbst der Landtag ohne Kenntnis der exakten Kosten über die Reform entscheiden soll. Auch Immobilienexperten wie Stefan Kofner von der Hochschule Zittau-Görlitz vermögen indes nicht zu erkennen, warum etwa ein teuer saniertes Finanzamtsgebäude in Löbau aufgegeben wird, obwohl am neuen Standort in Görlitz keine geeignete Immobilie vorhanden ist: »Das ist Kapitalvernichtung.« Viele Sachsen würden die Pläne ähnlich negativ beurteilen, sagt Joachim Schruth. Er warnt vor den Folgen: »So schaffen wir Wutbürger.«
17 000 weniger
Sachsen will seine Verwaltung bis 2020 um 17 000 auf 70 000 Mitarbeiter verkleinern und Standorte bündeln. So bleiben von 72 Polizeirevieren 41, aus 28 Finanzämtern werden 16, die Straßenverwaltung hat nur noch sechs statt neun Dienststellen. Der Rechnungshof und die Sächsische Aufbaubank sollen umziehen. (hla)
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