Die CDU hatte ein Drogenproblem

Gesundheitsministerin musste das Parteiprogramm der LINKEN erläutern

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Ziemlich daneben ging gestern im Landtag der Versuch der oppositionellen CDU, die LINKE für Beschlüsse zur Drogenpolitik an den Pranger zu stellen. Der Vorstoß bewies einmal mehr, welche Blüten bewusstes Missverstehen treiben kann.

Ganze Heere von faulen Drogenabhängigen, die in der Sonne liegen und auf Staatskosten ihrer Sucht frönen können - ein solches Bild würde Deutschland bieten, wenn die LINKE ihre Beschlüsse zur Drogenpolitik umsetzen könnte.

Ganz selbstbewusst nahm Gesundheitsministerin Anita Tack (LINKE) gestern in der Fragestunde des Parlaments zu diesem Zerrbild Stellung. Ja, die rot-rote Landesregierung trete in bestimmten Fällen für die legalisierte Verabreichung von Drogen an süchtige Patienten ein, gestand sie unumwunden. Das könne medizinisch notwendig sein. Und sie fügte hinzu: »Die Landesregierung unterstützt alle Maßnahmen zur Entkriminalisierung des Drogenmissbrauchs.«

Hilflose Abhängige seien in einer »dramatischen Situation«, bei der ihnen die Möglichkeit gegeben werden müsse, den Weg der Beschaffungskriminalität zu verlassen, unterstrich Tack. Legalisierte und kontrollierte Drogenverabreichung in hygienisch einwandfreier Umgebung sei ein Schritt dorthin. Es komme nicht darauf an, diese Menschen, die eigentlich Kranke seien, zu kriminalisieren, sondern es komme auf Behandlung und Vorbeuge an. Statt diesen Bereich zu stärken, dienen aber in Deutschland 85 Prozent der Mittel, die gegen Drogenmissbrauch eingesetzt werden, bloß der Strafverfolgung, erklärte Tack.

Der CDU-Abgeordnete Michael Schierack hatte darauf hingewiesen, dass ein Bundesparteitag der Sozialisten in Erfurt mit großer Mehrheit die Legalisierung harter Drogen, wie zum Beispiel Kokain und Heroin gefordert habe. Schierack erkundigte sich nun nach der Position der Landesregierung in dieser Frage.

Was im neuen Parteiprogramm zur Drogenpolitik stehe, sei von den Medien »sehr verkürzt wiedergegeben« worden, klärte die Gesundheitsministerin auf. Ziel der Linkspartei sei eine liberale und aufgeklärte Drogenpolitik. In der Sache blieb Tack fest: »Wir brauchen eine Schwerpunktverlagerung.« Die Ministerin zitierte aus dem Parteiprogramm: Drogen seien in Deutschland eine Alltagserscheinung, die Unterscheidung in legale und illegale Drogen sei willkürlich. Missbrauch könne zu schweren gesundheitlichen Schäden führen.

Im Übrigen habe Brandenburg weniger ein Problem mit den illegalen Drogen als vielmehr mit den legalen, war den Worten der Ministerin zu entnehmen. »Wir haben im Land Brandenburg ein Alkoholproblem.« Was die von illegalen Drogen Abhängigen betreffe, habe es im Bundesland im vergangenen Jahr 158 gegeben. Im Bundesmaßstab sei dies der letzte Platz.

Während sich die Probleme mit harten Drogen im Mikrobereich bewegen, fordern Alkohol und Tabak in Brandenburg tausende Opfer. Die Behandlungen kosten Millionensummen. Gerade auch unter Jugendlichen steigt der exzessive Alkoholmissbrauch stark. Im Jahr 2008 mussten schon 728 Menschen unter 25 Jahren wegen Alkoholkonsums im Krankenhaus behandelt werden. Im Jahr 2000 waren es 297.

Besonders bedrückend sind diese Daten angesichts der Tatsache, dass die Zahl der jungen Leute in Brandenburg gesunken ist. Dies eingerechnet, muss von einer Vervierfachung des Problems gesprochen werden.

Um solche Wahrheiten kümmerte sich die CDU in der Fragestunde des Landtags aber nicht. Der CDU-Abgeordnete Sven Petke nutzte sein Recht zur Nachfrage und forderte von der Gesundheitsministerin hinsichtlich des Parteiprogramms gleich noch Auskünfte zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zur Verstaatlichung von Banken. Dabei ging es doch eigentlich um die Drogen. Anita Tack wandte sich an Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD). »Ich glaube, hier greift die Geschäftsordnung«, sagte sie. Der Präsident bestätigte, die Nachfrage habe nichts mit dem Thema zu tun. »Ich habe Verständnis dafür, dass die Ministerin darauf nicht eingeht.«

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