Bestattungen billig, aber nicht anonym

  • Georg-Stefan Russew, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Familien leben heute nicht mehr über Generationen hinweg an einem Ort. Das Berufsleben fordert Mobilität. Die Angehörigen können sich nicht regelmäßig um das Grab kümmern. In Brandenburg werden Feuerbestattungen immer mehr zum Standard. »Für Grabpflege bleibt heutzutage kaum noch Zeit«, erklärt Alexander Helbach von der Aeternitas-Verbraucherinitiative Bestattungskultur.

Wenn Menschen der Arbeit wegen viele hundert Kilometer wegziehen, bleiben die Eltern und Großeltern zurück. »Und die wollen es ihren Angehörigen im Sterbefall oft einfach machen und entscheiden sich schon vor ihrem Ableben für eine Urnenbeisetzung«, sagt Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeld vom Südwestkirchhof Stahnsdorf. Bei ihm werden pro Jahr rund 1000 Menschen bestattet. Im Jahr 2010 habe es hier nur 60 Erdbestattungen gegeben. Die Urnenbeisetzung werde bevorzugt.

Eine Art »Entsorgungsmentalität« sieht Aeternitas-Sprecher Helbach deswegen nicht. Viele Menschen seien über die Jahre einfach nur pragmatischer geworden. Ein pflegeleichtes Urnengrab sei für viele ausreichend.

Es müsse an den Geldbeutel der Angehörigen gedacht werden, aber es müsse auch möglich sein, würdevoll an die Verstorbenen zu erinnern, findet Heike Krohn, Sprecherin der Evangelischen Kirche. Wenn die Beerdigung allein unter dem Gesichtspunkt der Kosten betrachtet werde, bleibe die Würde mitunter auf der Strecke.

Natürlich müssen die Angehörigen aufs Geld achten, meint Helbach. Seit 2004 werde von den Krankenkassen kein Sterbegeld mehr gezahlt. Zudem machen steigende Friedhofsgebühren den Hinterbliebenen zu schaffen. Nach Aeternitas-Angaben sind die Gebühren in Brandenburg seit 2007 um 58 Prozent angestiegen, in Berlin sogar um 104 Prozent.

Es sei nicht pietätslos, wenn sich Angehörige nach Preisen erkundigen, meint Fabian Lenzen von der Bestatterinnung Berlin-Brandenburg.

Friedhofverwalter Ihlefeldt bemerkt indes mehr und mehr, dass anonyme Reihengräber ohne Hinweis auf den Verstorbenen kaum noch gefragt sind. Viele merkten, dass sie einen Platz für ihre Trauert brauchen. »Es reicht schon aus, wenn ein kleines Namensschild in Grabnähe auf den Verstorbenen hindeutet«, erklärt Ihlefeldt. Gefragt sind sind auch Friedwälder oder Urnenfachwände. Diese Ruhestätten sind pflegeleicht, preisgünstig und stets mit Namen versehen. Der Wunsch nach Individualität nimmt zu. Gerhard Bajzk vom der Bestattungsfirma Grieneisen berichtet: »Urnen werden bemalt, das Lieblingslied wird bei der Beisetzung gespielt, Angehörige lassen sich aus der Asche sogar einen Erinnerungsdiamanten pressen.«

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