20 Jahre den Nazis auf den Fersen

Das »apabiz« feiert rundes Jubiläum

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Hinter einer Stahltür in der vierten Etage eines typischen Berliner Fabrikaltbaus stapeln sich Nazi-Devotionalien, Bücher, Zeitschriften und Aktenordner. Der Raum ist aber nicht die gut ausgestattete Zentrale einer rechtsradikalen Partei oder Kameradschaft, sondern will die Dokumente dieser menschenverachtenden Gesinnung für möglichst viele Menschen zugänglich machen. Denn wer in der Lausitzerstraße 10 klingelt, dem öffnet sich das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (apabiz). Der Verein mit Sitz in Kreuzberg feiert heute sein 20-jähriges Bestehen mit einem Tag der offenen Tür.

Doch dieses Jubiläum können die zwei fest angestellten und acht ehrenamtlichen Mitarbeiter kaum genießen. Seit Aufdeckung der Nazi-Morde an neun migrantischen Kleinunternehmern und einer Polizistin vor einer Woche steht das Telefon fast nicht mehr still. Aus dem Fundus des 1991 zunächst nur als Archiv gegründeten apabiz wollen nun vor allem Journalisten schöpfen. Fotos und Videomaterial über das Neonazi-Trio haben Medien bereits benutzt, aber auch wegen analytischer Einschätzungen wurde angefragt. »Leider kommen wir zur Zeit gar nicht dazu, das Material selbst zu analysieren«, sagt Patrick Schwarz. Er arbeitet seit 15 Jahren ehrenamtlich beim apabiz. Noch immer durchforsten er und seine Kollegen das Archiv von rund 15 000 Dokumenten.

Das apabiz hilft aber nicht nur Journalisten, sondern wird von verschiedenen Personenkreisen genutzt. Dazu gehören neben antifaschistischen Initiativen, Gewerkschaftern, Parteienvertretern und Sozialarbeitern vor allem Studierende und Wissenschaftler. »Wir haben Informationen, die sonst vor der Öffentlichkeit verschlossen bleiben in einem Bereich, der von der Wissenschaft nicht mehr abgedeckt wird«, so Schwarz. Zuletzt gab Professor Richard Stöss nach seiner Pensionierung an der Freien Universität seine Sammlung über rechte Parteien an das apabiz. Die Nutzer können aber nicht nur Fachliteratur studieren, sondern in den zahlreichen Ordnern mit Zeitungsartikeln stöbern, Demonstrationsvideos ansehen oder Internet-Foren sichten.

Neben der Archivarbeit vermittelt das apabiz seine Erkenntnisse über neonazistische Strukturen in Vorträgen und Workshops in Schulen oder bei Konferenzen. Von besonderer Bedeutung ist auch der alle zwei Monate erscheinende Rundbrief »monitor«, der sich zuletzt etwa mit den Berlin-Wahlen und der Auswirkung von Blockaden auf die Stimmung in der Nazi-Szene beschäftigte. Diese Arbeit wird zu großen Teilen aus Spenden und über 100 Fördermitgliedschaften finanziert, worauf Schwarz besonders stolz ist: »Es ist uns sehr wichtig, finanziell unabhängig zu sein.«

Dass dies so bliebt, ist auch Schwarz' größter Wunsch für die Zukunft des apabiz, dessen Bestehen er als genauso wichtig wie vor 20 Jahren einschätzt. »Am besten wäre es aber, wenn diese Arbeit gar nicht erst nötig wäre«, meint Schwarz. Und fügt an: »Aber das bleibt wohl Wunschdenken.«

Jubiläumsfeier mit Rundgängen ab 14 Uhr, Diskussion zum Thema »Bildungsarbeit und Verfassungsschutz« um 17:30 Uhr in der Lausitzerstr. 10, 10999 Berlin

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