Hast du Worte?

»Gegen Kleist« in der Volksbühne

  • Lesedauer: 3 Min.

Er hat sich erschossen im November 1811 - verzweifelt und verkannt, der arme Kleist. Nicht aber nur bedenken, er hat sich umgebracht. Nein - was er uns an lebendiger Sprache hinterlassen hat mal neben etwas stellen, was gerade jetzt in neuen Formen gedichtet wird, hören, wie daneben Kleist klingt, ob er drüber fliegt, siegt oder einem zufälligen Treffer unterliegt. Mal über den Rand gehen in den Tagen der Dichter-Ehrung, bis an die Schmerzgrenze gehen - das wurde in der Volksbühne versucht.

Vier Poetry-Slam-Poeten - Sebastian23, Theresa Hahl, Julian Heun und Björn Högsdahl - traten am Sonntag in »Jetztpoeten gegen Kleist« auf. Die Schauspieler Mandy Rudski, Andreas Frakowiak und Mex Schlüpfer stellten sich dem Wettkampf mit Stückchen aus Stücken: Penthesilea, Amphithryon, Käthchen von Heilbronn. Inka Löwendorf sprach die Anekdote von der Bombenpost. Das Zeitlimit, je sieben Minuten, galt für alle. Eine Jury aus neun Freiwilligen verteilte die Punkte. Als Bezug zwischen beidem lässt sich der Sprachreichtum, die Wortfülle von Slam und Kleisttexten ausmachen. Slam heißt so viel wie Schlag, Treffer, Stich im Kartenspiel. Poetry-Slam ist eine Kultur zwischen Rap und Sängerwettstreit.

Das Publikum war jung und dankbar. Von sechs Befragten kannte keiner Kleist gut, nur einer kannte Slam, einer hatte Penthesilea in München gesehen. Eine Jurorin hatte noch nie Slam erlebt, war sich aber ihrer Urteile sicher wegen Ahnung von Literatur.

Sieger des Abends wurde Julian Heun aus Berlin. Heun ist ein junger Meister des Formats. Große Vortragskunst, Tempo, überraschende Endreime, Klangkaskaden, Wortwitze zeichnen den guten Slam-Poeten aus. Heun griff den »Lassmann« an, der zu aller Aktivität »lass man« sagt. Slam-Poeten kritisieren Gleichgültigkeit und Untätigkeit, fordern Befreiung, Mut zum Gefühl. Die Lyrikerin Theresa Hahl: »…wir leben im Strom, doch wir bewegen uns nicht«, Sebastian23 spielte mit der Metapher von einer »überschätzten Schwerkraft«, die ihn hemmt.

Mandy Rudski erhielt die zweithöchste Punktzahl. Wie ein Kind mit Teddy im Arm, sprach sie die Penthesilea so, dass man gegen die Parodie, die die Verkürzung mit sich brachte, die Tragödie der Liebenden sah, die im Geschlechterkrieg verzweifelt. Die Begeisterung der Zuschauer für dieses Kleist - Spiel war groß.

So ein Publikum wird weiter dafür sorgen, dass die Sprachkraft der neuen Generation sich steigert, wenn auch gerade ein Lied Erfolg hat, das mit der Bemerkung beginnt: »Ich habe keine Worte.«

Kleistworte hatte der quicke Mex Schlüpfer als Wetter von Strahl viele. »Ich will meine Muttersprache durchblättern, und das ganze, reiche Kapitel, das diese Überschrift führt: Empfindung, dergestalt plündern, dass kein Reimschmied mehr, auf eine neue Art, soll sagen können: ich bin betrübt.« Er sprang seinem Käthchen, einer Riesenblondine, die er Kettchen nannte, auf die Arme, um mit ihr in der Versenkung zu verschwinden. Reine Persiflage! Juroren und Publikum plötzlich uneins! Buh!

Der Moderator, der Kleists Geist am Anfang beschworen hatte, war zufrieden mit dem glimpflichen Ausgang, bei dem alle acht Wertungen gut bis sehr gut ausfielen. Ein an Kleist und Slam wenig gewohntes Publikum nahm Sprache begeistert auf in der Art, wie es Poetry-Slam-Wettkämpfe erreichen können: aktiv und wach.

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