Der Löwe bleibt hier!
Im Harzstädtchen Blankenburg kocht Volkszorn
Nur langsam lichtet sich der Herbstnebel im Kessel von Blankenburg. Nur schemenhaft sind die Konturen im Barockgarten zu erkennen. Und da steht er, der Bronzelöwe. Noch ...
Der Prinz soll mal kommen, schimpft ein Ureinwohner, als er die Tourismus-Information der Stadt verlässt. Er war an diesem Morgen da, um sich in eine Unterschriftenliste einzutragen. »Rückgabe kommt nicht infrage! All die Jahre hat sich diese Adelstruppe einen Dreck um Blankenburg gekümmert. Nur absahnen wollten die. Die Ländereien waren ihnen wichtig, doch für die Renovierung des Schlosses - der Mann deutet den Hang hinauf - wollten sie keinen Heller locker machen. Gut so, dass man es denen nicht zurückgegeben hat.«
Blaublüter wollen absahnen
Was sich nun möglicherweise ändert. Denn die einstigen adligen Besitzer - vertreten durch Ernst August Prinz von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg - wollen ihn zurück. Auch ein Taufbecken und eine Kanzel aus der Schlosskirche hat es den Blaublütern angetan. So wie weitere Kunst- und Kulturgüter, die an 14 verschiedenen Standorten in Sachsen-Anhalt zu finden sind.
Der Löwe im Terrassengarten vor dem Kleinen Schloss, auf dem wohl jeder Blankenburger als Kind mal geritten ist, gehört dazu. Sein Blick ist gen Braunschweig gerichtet. Er symbolisiert so einen Teil der Geschichte des Harzes, die einst mit dem Braunschweiger Land verbunden war. Vermutlich auf Geheiß von Heinrich dem Löwen wurde das Bronzetier 1166 auf einem Sockel im Hof der Burg Dankwardrode gestellt und gilt als erste frei stehende Großplastik des Mittelalters nördlich der Alpen. Im Knappensaal der Burg ist er zu besichtigen.
Im Verlauf der Jahrzehnte wurden mehrere Kopien erstellt. Auch der umstrittene Löwe im Blankenburger Park ist nicht echt. Überhaupt ist nicht ganz geklärt, wie er überhaupt da hinkommen konnte. Vermutlich brachte ihn die Herzogsfamilie Anfang der 1930er Jahre aus ihrem Exil im Gmünden mit und stellte ihn auf die östliche Terrasse des Großen Schlosses.
Wie beweglich ist das Tier?
Als die Adelsfamilie im Juni 1945 unter dem Schutz der Briten ihr Hab und Gut vom Großen Schloss in Blankenburg zum Schloss Marienburg bei Pattensen überführte, bleib der Löwe zurück
Sieben Jahre später wurde er als Schrott deklariert und sollte eingeschmolzen werden. Doch schon damals widerstand das Volk der Obrigkeit. Mit Hilfe des DDR-Kulturbundes wurde die Kreatur vor dem Aussterben gerettet.
Der Stadt Blankenburg (Harz) liegt eine gutachterliche Stellungnahme vor, nach der es sich bei dem Löwen um eine bauliche Anlage und damit nicht - wie das Land meint - um sogenanntes bewegliches Vermögen handelt. Unbewegliche Gegenstände unterliegen nicht dem Ausgleichsleistungsgesetz, auf dessen Grundlage das Haus Hannover die Rückgabe der Kunstgegenstände beantragt hat. Das Landesverwaltungsamt Halle ist dagegen der Ansicht, dass der Löwe mobil sei. Die Stadt klagt, die Bürger hoffen. Und erregen sich - angefangen bei Bürgermeister Hanns-Michael Noll - jeden Tag aufs Neue.
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