Ein bisschen Umverteilung
Der Bundesparteitag von Bündnis 90/ Die Grünen verströmt Regierungswillen und moderaten Reformismus
Rund 800 Delegierte waren am Wochenende nach Kiel gekommen, um dem »Green New Deal« eine konkretere Gestalt zu verleihen. Dieser in den letzten Jahren zentrale Begriff bei Bündnis 90/ Die Grünen stellt den ganz großen Zusammenhang her: »Armut, Gerechtigkeit, Klima, Artenvielfalt, Wirtschaft, Finanzen« - die Partei will mit dem ökologischen Umbau gleichzeitig die Finanzkrise überwinden, Wirtschaftswachstum schaffen, den Klimawandel stoppen und für globale Gerechtigkeit sorgen.
Parteivorsitzender Cem Özdemir schwor die Versammelten darauf ein, Partner für das Ziel einer »ökologisch-sozialen Marktwirtschaft« auch bei Unternehmen zu suchen. Zugleich müsse die Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland abgebaut werden.
So stand die Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent auf der Agenda. Die Delegierten stimmten mit großer Mehrheit für eine Besteuerung von Jahreseinkommen ab 80 000 Euro mit 49 Prozent - der Jugendverband der Partei, der die Rückkehr zu dem unter Helmut Kohl gültigen Wert von 53 Prozent gefordert hatte, stieß also auf taube Ohren. Und auf die Warnung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann: »Wir dürfen jetzt nicht in eine Steuererhöhungsorgie verfallen«.
Zeitlich befristet soll eine Vermögensabgabe von 1,5 Prozent eingeführt werden, die vor allem zur Bewältigung der Kosten der Wirtschaftskrise vorgesehen ist. Der Bund würde dadurch im Zeitraum von zehn Jahren rund 100 Milliarden Euro erhalten. Für danach schwebt der Partei eine Vermögensteuer vor.
Kritik an der eigenen Vergangenheit, als unter Gerhard Schröder der Spitzensteuersatz radikal gesenkt wurde, gab es kaum. Immerhin sagte mit Sina Doughan die Bundessprecherin der Grünen Jugend, jene Steuersenkungen seien falsch gewesen. Der Umverteilungskurs der Grünen stößt allerdings bei den neuen Partnern im Mittelstand auf wenig Begeisterung. Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, warnte vor einer »zu hohen steuerlichen Belastung für Unternehmen«. Außerdem machte Schwannecke deutlich, dass er die Forderung der Grünen, dass sich »die Art wie wir wirtschaften, grundlegend ändern muss«, nicht teilt. Besänftigend schritt hier Cem Özdemir ein. Der Parteivorsitzende verwies auf die geplante Gebäudesanierung. Diese liegt aufgrund der Energieeffizienz im Interesse der Partei und nützt wegen der Aufträge auch vielen mittelständischen Unternehmen.
Über Personal oder Koalitionsoptionen wurde bei den Grünen nicht gestritten. Allerdings ging es bei den Attacken auf die schwarz-gelbe Bundesregierung zumeist um die FDP. Zudem wurde deutlich, dass in den vergangenen Monaten - auch wegen des Scheiterns von Rot-Grün in Berlin - das Verhältnis zur SPD stark gelitten hat. Harte Kritik an den Sozialdemokraten übte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Toni Hofreiter, weil diese »unsinnige Großprojekte wie den Ausbau der A 100 in Berlin und Stuttgart 21 unterstützen«.
In ökologischer Hinsicht wurden dann auch ein paar härtere Forderungen gestellt. So sollen Plastiktüten langfristig notfalls per Verbot abgeschafft werden, und kurzfristig mit je 22 Cent besteuert werden. Per Klimaschutzgesetz soll nach dem Willen der Partei die Verminderung des CO2-Ausstoßes um 95 Prozent bis 2050 festgeschrieben werden. Kohle will sie gar nicht mehr subventionieren.
Mit ihrem Leitantrag »Demokratischer Aufbruch in Zeiten der Krise« wollen die Grünen Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene einführen. Angenommen wurden auf dem Parteitag auch die Forderungen nach dem Wahlrecht ab 16 Jahren, einem Mindestlohn von 8,50 Euro und dem Streikrecht bei kirchlichen Dienstträgern.
Mit Agenturen
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