Realromantiker
Habermann und Baehr in der Kommunalen Galerie
Sie gehört mittlerweile durchaus zu den feinen Adressen im hauptstädtischen Ausstellungsbetrieb, die Kommunale Galerie im Bürgeramt am Hohenzollerndamm. Seit dem Umbau 2009 verfügt sie auf zwei Etagen mit 500 Quadratmetern Fläche über so großzügige wie lichte Räumlichkeiten, langgestreckt und mit viel Wand, auf der im Sechs-Wochen-Zyklus Kunst der Gegenwart gezeigt wird, überwiegend von Berliner Künstlern. Fotografie und Malerei, Installation und Performance haben hier ihr attraktives Podium. Zwei Expositionen von hoher Qualität sind dort derzeit in den benachbarten Räumen zu besichtigen.
Die Welt habe so viele Dinge, man müsse sie nur fantasievoll sehen können, sagt Efraim Habermann und bezeichnet sich selbst als Realromantiker. In Berlin wurde er 1933 geboren, wanderte mit den Eltern 1939 nach Palästina aus, kehrte erst 1957 in die Geburtsstadt zurück, wo er seit 1968 als Fotograf wirkt und auf viele Ausstellungen verweisen kann, so in der Nationalgalerie und dem Jüdischen Gemeindehaus, auch in Tel Aviv und Chicago. »Berliner Stillleben« stellt er aus, 65 Motive, entstanden in gut vier Jahrzehnten aufmerksamen Durchwanderns »seiner« Stadt. Alle sind in Schwarz-Weiß gehalten und von einer gewissen Grobkörnigkeit, die ihre Themen unter leichtem »Schleier« hält.
Einen Tänzer, wie er ausruhend an der Ballettstange lehnt, sieht man, Bruno Ganz, wie er im Marsch scheinbar aus dem Untergrund aufsteigt, eine Frau, die eben den Hacken ihres Pumps korrigiert, alle in unbeobachteten Momenten. Die meisten Fotos indes widmen sich Architektur, menschenleer, dafür umso eindringlicher. Es sind die talentvoll aufgefundenen Details, die im Betrachter nachwirken: der Schwung einer runden Treppe; Gewitter über der Ruine des Anhalter Bahnhofs; Gewirr aus Raumplastik und Hausvertikale am Potsdamer Platz; Schatten auf dem Pflaster; eine Laterne vor zerbröselnder Ziegelfassade. Demütig kniet der steinerne Soldat im Sowjetischen Ehrenmal Treptow; Spaten und ummantelte Schaufel lehnen in einer Arbeitspause, Ostberlin 1986, an den Wunden im Putz einer Hauswand.
Auf anderes richtet sich der Blick des Malers Ulrich Baehr. In Bad Kösen wurde er 1938 geboren, studierte in Berlin, erhielt Stipendien für Paris, New York, Los Angeles, lehrte in Berlin, Braunschweig und Hannover. Seine 14 ausgestellten, überwiegend großformatigen Landschaftsdarstellungen in Öl auf Leinwand sind im letzten Jahrzehnt entstanden und wurzeln doppelten Sinns in der märkischen Heimat. Kiefern wie mit einer inneren Abendröte und im Spalier stehen vor blauem Himmel; Wald setzt sich in ein Geflirr aus Grüntönen um. Was bei Baehrs Vorgängern vergangenen Jahrhunderts noch Idyll war, gerät bei ihm in einer schlierigen Malweise zur liebevollen und dennoch kritisch unruhigen Sicht auf das Sujet.
Zentrum der Ausstellung sind vier Werke aus der Serie »Das 20. Jahrhundert«. Immer liegt darauf ein Frachter in Schlagseite, umtost von wogendem Meer. Außer der malerischen Delikatesse in ihrer impressionistischen Augenblickssituation besticht der gleichnishafte Verweis auf ein Säkulum der Katastrophen und des Schindluders mit unserer Natur. Insofern zielt Baehrs Malerei über den dargestellten Gegenstand hinaus.
Bis 4.12., Kommunale Galerie
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