Cola-Kasper mit Bart
Aktion »Weihnachtsmannfreie Zone« kämpft gegen den Festtagskommerz - und für Nikolaus
München. Früher hatte noch alles seine Ordnung zur Weihnachtszeit in deutschen Wohnzimmern: Am 6. Dezember kam der Nikolaus und brachte den Kindern kleine Geschenke. Am 24. oder 25. Dezember folgte das Christkind und brachte die größeren. Heute ist es aus mit dieser klaren Zweiteilung. Schuld daran ist niemand geringeres als der Weihnachtsmann. Aus den USA importiert hat er die Aufgabenteilung in Deutschland und auch so manches Kind durcheinandergebracht - und den guten alten Nikolaus in die Ecke gedrängt. Doch damit soll nun Schluss sein - zumindest wenn es nach dem Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken geht.
Vor zehn Jahren hat das Werk die Aktion »Weihnachtsmannfreie Zone« ins Leben gerufen und kämpft mit Schoko-Nikoläusen und Verbotsschildern mit durchgestrichenen Weihnachtsmännern für die katholische Tradition. So auch am Mittwoch in München. Als berühmte Vorkämpferin ist Maite Kelly mit dabei - Sängerin und Gewinnerin der RTL-Show »Let's Dance«. Seit drei Jahren engagiert sie sich für die Aktion.
Der heilige Nikolaus, der historische Bischof, sei durch den Weihnachtsmann immer mehr in Vergessenheit geraten. Das sollte sich ihrer Ansicht nach ändern. »Ich muss meinen Kindern keine Lügen vom Weihnachtsmann erzählen«, sagt die 31-Jährige, die Mutter von zwei vier und fünf Jahre alten Töchtern ist. »Ich kann ihnen eine wahre Geschichte erzählen.« Der Weihnachtsmann steht für sie für »Coca Cola und Kommerz«, der Nikolaus dagegen für Wärme und Nächstenliebe.
Pudel oder Bischofsmütze
Der sechsjährige Anton, dem sie einen Schoko-Nikolaus in die Hand drückt, hat da andere Kriterien: »Der Unterschied ist, dass der Nikolaus eine Bischofsmütze hat und der Weihnachtsmann eine Pudelmütze und der Nikolaus einen Bischofsstab und der Weihnachtsmann nichts.« Sein fünfjähriger Freund Onno weiß: »Der Nikolaus war ein guter Mann.«
Der Legende nach stimmt das auch. Der Heilige Nikolaus lebte Ende des 3. Jahrhunderts und war Bischof von Myra in einem Landstrich in Kleinasien, der heute zur Türkei gehört. Er ließ Armen- und Waisenhäuser bauen und kümmerte sich um alte Seefahrer, die ihrem Beruf nicht mehr nachgehen konnten. Sein Gedenktag ist der 6. Dezember.
Dass auch der Weihnachtsmann auf den heiligen Nikolaus zurückgeht, das verrät schon sein Name in den USA: »Santa Claus«. Im Lauf der Zeit hat er sich aber zu einer Kunstfigur im roten Mantel entwickelt, die an Weihnachten Geschenke bringt und mit dem Gedenktag am 6. Dezember nichts mehr zu tun hat - zum Leidwesen von Monsignore Georg Austen, dem Generalsekretär des Bonifatiuswerkes. »Viele Dinge gehen durcheinander - auch weil viele Erwachsene die Hintergründe nicht mehr kennen. Wir wollen den Sinn christlicher Feste wieder ins Bewusstsein bringen.« Ein ähnliches Schicksal wie der Nikolaus müsse inzwischen übrigens auch St. Martin befürchten, da Kinder zunehmend zum US-amerikanischen Feiertag »Halloween« an den Haustüren Süßigkeiten fordern. »Traditionsbewusste Kreise sind sich dieses Problems bewusst«, sagt der Professor für Pastoraltheologie und Allgemeine Psychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Janusz Surzykiewicz. »Ursprünglich herrschte primär Enttäuschung und Empörung vor, seit einiger Zeit beobachtet man verschiedene Initiativen.«
Erfolg in Supermärkten
Einen Bruder im Geiste finden die Kämpfer für den Nikolaus in dem bayerischen Sprachpfleger Hans Triebel. »Bischofsornat kontra Strampelanzug« nennt er seine schon vor Jahren gestartete Kampagne. Dazu fährt der einstige Vorsitzende des »Fördervereins Bayerische Sprache und Dialekte« regelmäßig im Advent nach Österreich, wo es den Schoko-Nikolaus in ursprünglicher Aufmachung noch gibt, und ordert etliche Kartons des Originals, um es in seinem Wirtshaus »Gotzinger Trommel« zu verkaufen.
Mit Erfolg: Mittlerweile führen auch Lebensmittelläden und sogar Supermärkte zumindest in Bayern wieder den »echten« Nikolaus zum Reinbeißen. »Der Coca-Cola-Kasperl mit Rauschebart, Säufernase und rotem Strampelanzug kann ruhig in den Regalen warten, bis jemand kommt, der ihn haben will«, sagt Triebel. Er verschenkt nur das Original: »Für brave Buam und Diandl an gscheidn, echtn Nikolo.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.