LINKE muss Bodenhaftung behalten

Designierter Landesvorsitzender Ludwig über Rot-Rot nach der Berliner Wahlschlappe

  • Lesedauer: 6 Min.
nd: Herr Ludwig, der nächste Landesparteitag der LINKEN am 18./19. Februar wählt den neuen Landesvorsitzenden. Welches Ergebnis wäre Ihnen lieber: 71 Prozent ohne Gegenkandidaten oder Mitbewerber und 51 Prozent?
Ludwig: Der Parteitag wird einen neuen Landesvorstand wählen und Schwerpunkte für unsere weitere Arbeit diskutieren. Darauf freue ich mich. Über Prozente habe ich noch nicht nachgedacht.

Wenn nicht alle Ihre Wunschkandidaten für die Posten der Stellvertreter, des Landesgeschäftsführers und des Schatzmeisters durchkommen sollten, würden Sie dies als Beschädigung empfinden?
Ich bin froh darüber, dass sich kompetente und in der Partei verankerte Genossinnen und Genossen bereit erklärt haben, für diese Funktionen zu kandidieren. Sie haben alle Erfahrungen in der Parteiarbeit und in Leitungsfunktionen. Darauf kommt es an und auch darauf, dass wir uns als Team verstehen. Kritik habe ich zu Recht erhalten für die verpatzte Vorstellung meines Wunschteams.

Der jetzige Landesvorsitzende Thomas Nord hat die Namen bei einer Sitzung der Landtagsfraktion bekannt gegeben.
Da hätte ich mir ein anderes Entrée gewünscht. Aber in den vergangenen vier Regionalkonferenzen sind wir als Team aufgetreten. Dort habe ich keinen Hinweis erhalten, dass jemand aus meiner Mannschaft kein Vertrauen genießen würde.

Sie haben ursprünglich nicht damit gerechnet, dass die rot-rote Koalition in Brandenburg auf absehbare Zeit die einzige direkte Regierungsbeteiligung der LINKEN sein wird.
Das ist richtig. Leider hat es weder in Berlin noch in Mecklenburg-Vorpommern geklappt.

Nun ist es, wie es ist. Erleben Sie jetzt einen höheren Druck auf die brandenburgische LINKE?
Natürlich spüre ich ein größeres Interesse der Bundespartei und der Medien. Das ist auch gut so. Schließlich können wir so beweisen, dass wir nicht nur eine starke Opposition sein können, sondern auch regierungsfähig sind. Wenn in Brandenburg die SPD mit der CDU weiter regiert hätte, gäbe es kein Vergabegesetz mit Lohnuntergrenzen, kein Schüler-Bafög, keine Diskussion über eine Schule für Alle oder mehr Lehrer. Man würde sich noch immer über Gerichtsstandorte streiten, wir würden noch immer über eine andere Wirtschaftsförderung streiten und sie nicht umsetzen. Brandenburg wäre noch immer Billiglohnland wir sind dabei, dies zu ändern. Über CCS würde nicht diskutiert, sondern es würde angewandt. Bei aller auch berechtigten Kritik haben wir bereits einiges erreicht und noch viel vor. Nicht alles kann von heute auf morgen anders werden. Die Schnittmengen mit der SPD sind schon groß, so dass wir für soziale Gerechtigkeit weiter voran kommen. Bei allem, was die Brandenburger LINKE tut, geht es uns um die soziale Frage. Die zu lösenden Aufgaben sind aber weder größer noch geringer geworden, nur weil wir mittlerweile die einzigen regierenden Sozialisten sind.

Die Verluste der Linkspartei bei der letzten Berliner Abgeordnetenhauswahl waren längst nicht so drastisch wie fünf Jahre zuvor. Sie werden aber schlimmer empfunden, weil es diesmal für eine rot-rote Mehrheit nicht mehr gereicht hat. Geht in der LINKEN nicht die Angst um, es könnte den Brandenburgern dereinst genauso ergehen wie den Genossen in der Hauptstadt?
Es gibt kein Naturgesetz, dass die LINKE Stimmen verliert, wenn sie mitregiert. Politik ist immer an Entscheidungen gebunden. Wir haben es selbst in der Hand. Regieren heißt auch immer entscheiden. Man kann es niemals jedem recht machen. Dennoch sind wir angetreten, um die Gesellschaft zu verändern. Hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, hin zu weniger Schulden. Wir sind dabei, die Neuverschuldung bis 2014 auf Null zu senken. Und: Wir halten dennoch an unseren Prioritäten fest.

Was sind aus Ihrer Sicht die in Berlin gemachten Fehler, aus denen in Brandenburg gelernt werden muss?
Ich will hier nicht andere beurteilen. Für uns sage ich: Wir wollen Bodenhaftung behalten, vor Ort weiter aktiv sein, in Bürgerinitiativen mitwirken, mit den Menschen im Gespräch sein. Wir werden weiter energiepolitische Gespräche, Regionalkonferenzen oder »Sprechstunden unter freiem Himmel« durchführen, unserem Motto »Partei für den Alltag, nicht nur für Wahltage« treu bleiben. Nichts wäre schlimmer als den Kontakt zur Basis zu verlieren. Auch im Zeitalter des schnellen Mail-Verkehrs halte ich das persönliche Gespräch für unabdingbar

Aber ist nicht in Brandenburg angesichts der weiteren Verstromung der Braunkohle eine Kluft zur Umweltbewegung gewachsen? Als Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) kürzlich erklärte, ein neues Braunkohlekraftwerk sei auch ohne CO2-Abscheidung denkbar, schimpfte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel, nun sei die Katze aus dem Sack.
Auch die Umweltbewegung ist aus meiner Sicht daran interessiert, dass auch in Zukunft die Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen und zuverlässig stattfindet. Die kritischen Hinweise nehmen wir auf. Ralf Christoffers hat keine Ziele der LINKEN preisgegeben. Sein Ministerium arbeitet intensiv an einer ehrlichen und zukunftssicheren Energiestrategie. Wir haben als LINKE nie einen Zweifel daran gehegt, dass die Braunkohlenverstromung eine Brückentechnologie sein muss, also jetzt noch notwendig, aber auch endlich. Als wir in die Regierung eintraten, war nicht absehbar, dass die Bundesregierung den Atomausstieg so schnell angeht. Ich wünschte mir, dass wir beim Beurteilen von Sachverhalten bei den Fakten bleiben: Die Bedingungen der Landesenergiepolitik wurden von außen verändert und unsere Vorgängerregierung hatte einiges ausgeblendet, was jetzt hochkommt. Die Entscheidung über die künftige Energiestrategie wird das Kabinett Anfang nächsten Jahres treffen. Danach werden wir im Landtag darüber beraten. Auch die Grünen werden sagen müssen, wie sie sich die Energieversorgung der Zukunft, bezahlbar und dauerhaft, vorstellen. Da muss man doch nur nach Baden-Württemberg schauen, was da an Aufgabe vor den Grünen steht.

Als Vizevorsitzender der Landtagsfraktion sollten Sie die Arbeit der Koalition verteidigen, als Landesvorsitzender würde es sich auch darum drehen, dass die LINKE eigene Akzente setzt und für den Wähler erkennbar bleibt. Fürchten Sie einen Interessenkonflikt?
Im Moment sehe ich keinen solchen Konflikt. Würde er entstehen, so würde ich den Vizevorsitz in der Fraktion abgeben. Ein Profil prägen, das heißt für mich nicht, dass wir uns gegen die SPD abgrenzen, sondern mit ihr und anderen gemeinsam für mehr soziale Gerechtigkeit streiten. Die LINKE oder früher die PDS hat sich in Brandenburg immer auch in der Opposition als konstruktiv verstanden. Dafür sind wir gewählt worden und dabei wird es bleiben. Ob als Partei der Kümmerer oder auch als Partei für den Alltag wir stehen für soziale Gerechtigkeit. Dafür stehen meine Mannschaft und ich selbst.

Wer wird bei der Landtagswahl 2014 LINKE-Spitzenkandidat?
Darüber befindet der Februar-Parteitag nicht. Diese Entscheidung wird später getroffen.

Interview: Andreas Fritsche

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