- Brandenburg
- Fragwürdig
Der Bock als Gärtner?
Klaus Maurischat über Mitternachtsnotare und Berlins Justizsenator / Maurischat ist Mitbegründer des Finanznachrichtendienstes Goldmann Morgenstern und Partners GoMoPa
nd: Berlins neuer Justiz- und Verbraucherschutzsenator Michael Braun (CDU) steht gleich zu Beginn seiner Amtszeit schwer unter Beschuss. Ihm wird vorgeworfen, als Notar in dubiose Immobiliengeschäfte verwickelt zu sein, bei denen einer nicht unbedingt sehr betuchten Klientel Schrottimmobilien aufgeschwatzt werden. Ihr Finanznachrichtendienst GoMoPa hat die Sache mit ins Rollen gebracht. Wie kamen Sie dazu?
Maurischat: Als die Personalie Braun bekannt wurde, standen bei uns die Telefone nicht still. Verbraucherschutzkanzleien und geschädigte Verbraucher meldeten sich bei uns und meinten, da soll ja wohl der Bock zum Gärtner gemacht werden. Einer der größten Mitternachtsnotare als Verbraucherschutzsenator, das geht gar nicht.
Was sind Mitternachtsnotare?
Das sind willige Helfer von dubiosen Bauträgern und Immobilienhändlern, die so genannt werden, weil die überrumpelten Käufer von überteuerten Immobilien zu jeder Tag- und Nachtzeit in ihre Kanzleien gebracht werden können.
Inwieweit werden die Käufer überrumpelt?
Das sind meist einfache Leute wie Krankenschwestern oder Mechaniker, denen nicht ausreichend Zeit gegeben wird, das Angebot zu erfassen. Weil ihnen sonst angeblich ein tolles Geschäft durch die Lappen gehe.
Herr Braun sagt, er frage jeden zuerst, ob er den Vertrag vor 14 Tagen ausgehändigt bekommen habe.
Klar, und alle nicken brav mit dem Kopf, weil ihnen der Verkäufer das so eingetrichtert hat: »Sonst verdienst du keine 20 Prozent.« Das ist der Trick.
Können Sie denn konkrete Fälle nennen, in die Michael Braun verwickelt war?
Einige kennen wir durch die Nutzer unseres Internetportals. Die Kanzlei von Braun, zu der ja auch Uwe Lehmann-Brauns, lange Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, gehört, hat zum Beispiel am Abend des 20. Juni das Kaufangbot an eine Tagesmutti für eine Wohnung beurkundet, die 145 000 Euro kosten sollte, obwohl sie nur einen Bruchteil davon wert war. Sie ging schon zwei Tage später wegen arglistiger Täuschung dagegen vor und bekam Recht. Braun versucht trotzdem, die 600 Euro Notargebühren einzutreiben. Anderes Beispiel: Brauns Kanzlei wirbt auf einem Prospekt der Firma Grüezi, die Schrottimmobilien für wenig Geld aufkauft und dann teuer weiterverkauft. Gegen den Vorstandsvorsitzenden der Grüezi ist Haftbefehl beantragt, der Geschäftsführer einer seiner Vertriebsfirmen sitzt wegen Betrugsverdachts in Untersuchungshaft. Und unser Senator steht bei denen auf der Referenzliste?!
Von der Notarkammer hat Braun Rückendeckung erhalten.
Die ist von solchen Mitternachtsnotaren unterwandert. Formal ist Braun auch sicherlich nichts vorzuwerfen, aber er hätte wissen müssen, worauf er sich da einlässt.
Apropos unterwandert: Hubertus Knabe hat sich gemeldet und vermutet eine Stasi-Kampagne gegen Braun.
Ich war niemals Stasi-Hauptmann. Ich war bei der Bundeswehr und hatte Sicherheitsstufe Zwei.
Fragen: Bernd Kammer
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.