Verblichene Welt des Jet-Sets
Sittengemälde und sehenswertes Porträt: Die Dokumentation »The Big Eden« über Playboy Rolf Eden
»The Big Eden« porträtiert Deutschlands letzten Playboy. Dabei offenbaren sich auch wenig bekannte Seiten Rolf Edens.
Dieser Film nährt einen rufschädigenden Verdacht: Playboy Rolf Eden (81) lebt monogam und ist in sehr festen Händen. Seine blonde Dauerfreundin Brigitte, ausgesprochen »Brischid«, ist etwa ein halbes Jahrhundert jünger. Sie hat aber trotzdem Muttergefühle für den alten Herren: »Er ist in der Pubertät stecken geblieben«. Diese und andere Erkenntnisse kann der Zuschauer in dem auf der Berlinale gefeierten Dokumentarfilm »The Big Eden« gewinnen.
Regisseur Peter Dörfler gelingt ein sehenswertes Porträt, das zugleich ein Sittengemälde Berlins und der deutschen Nachkriegsgeschichte ist. Für Dörfler (»Achterbahn«, »Der Panzerknacker«) ist es der Abschluss einer Trilogie über egomane Männergestalten.
»Alle Frauen lieben mich - die klugen Frauen«, ein typischer Eden-Satz. Die Eckdaten sind hinlänglich bekannt. Früher war er der Discokönig West-Berlins. In seinem »Big Eden« auf dem Kurfürstendamm tummelten sich Generationen von Klassenfahrten. Eden hat sieben Kinder von sieben Frauen. Seine Eroberungen in der Damenwelt sollen im vierstelligen Bereich liegen.
Vor allem liebt der Mann mit den blonden Haaren, den weißen Anzügen und den dicken Schlitten die Schlagzeilen. Dass Eden mal zum »peinlichsten Berliner« gekürt wurde, empfindet er als Ehre. Dörfler hätte in die Falle tappen können und oberflächlich die Fremdschäm-Aktionen auflisten können, die der Zeitungsleser eh schon kennt.
Stattdessen ist der Film ein Blick hinter die Kulissen eines Medienphänomens. Eden macht gerne bei dem Spiel mit, wenn ein »Doofer« gebraucht wird, der sagt, was er denkt. In einer Talkshow verteidigt er den Gang ins Bordell. Seinem privaten Umfeld ist das eher peinlich. »Die Leute, die das sehen, denken, du meinst das ernst«, tadelt ihn Brigitte.
Auch die Mütter seiner Kinder und der Nachwuchs selbst kommen zu Wort: von seiner ältesten Tochter Irit, zur Zeit des Films 61, bis zum Jüngsten, der noch zur Schule geht. »Er ist immer so nett und freundlich«, sagt Kai, der sich als 13-Jähriger wünscht, es wären nicht immer »Kamerafuzzis« um seinen Vater herum.
Dörfler kommt seinem Protagonisten sehr nahe, er ist auch beim Schönheitschirurgen und beim Friseur dabei. Es gibt einige sehr lustige Szenen. Und der Regisseur kann aus den Bergen von privatem Material schöpfen, das Eden mit seinen Damen selbst gedreht hat. Eine verblichene Welt des Jet-Sets, als der Playboy noch vor Kraft strotzte und alles »fantastico« war.
Was bislang wenig bekannt war: Rolf Shimon Eden kommt aus einer jüdischen Familie und spricht Hebräisch. Die Doku begleitet ihn nach Israel, seine alte Heimat. Seine Eltern waren vor den Nazis aus Berlin nach Palästina geflohen. Eden war 1948 im arabisch-israelischen Krieg Soldat in der Einheit von Izchak Rabin.
Später, in Paris, las der Musiker in der Zeitung, dass Berlin-Rückkehrern eine Prämie von 6000 Mark winkt. 1957 eröffnet Eden in der Frontstadt des Kalten Krieges seinen ersten Jazzclub. So wurde ein Israeli zum König des Berliner Nachtlebens. Eden ist auch im hohen Alter ein ungebrochener Optimist: »Das Beste, was du im Leben tun kannst: den Schmerz vergessen.«
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