Flirt mit Skandinavien
Schottland treibt Unabhängigkeit voran
Die Pläne für eine vollständige oder viel weiter als heute reichende Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich aus Großbritannien und Nordirland nehmen konkretere Konturen an, und der vom konservativen Premier David Cameron auf dem EU-Gipfel Ende vergangener Woche geleistete Beitrag zur Selbstisolation Londons wird sie noch forcieren. Allein diese Tatsache ist neu. Sie bezeugt die Entschlossenheit, mit der die Scottish National Party (SNP), die im Mai bei der Wahl ihre knappe in eine absolute Sitzmehrheit im Regionalparlament von Edinburgh verwandeln konnte, ihr Vorhaben zur Unabhängigkeit der Nation im britischen Norden mit ihren rund fünf Millionen Einwohnern betreibt. Der alte und neue schottische Premier Alex Salmond hatte nach dem Sieg getönt: »Ein unabhängiges Schottland ist jetzt nicht aufzuhalten«.
So weit ist es noch nicht. Doch aus Edinburgh kommen ständig Nachrichten, die den Unabhängigkeitsbestrebungen der SNP, einer links-nationalistischen Kraft, klarere Umrisse geben. Jüngstes Beispiel sind erste Details eines weitreichenden Plans. Dem zufolge, so der Londoner »Independent«, »würde ein unabhängiges Schottland einen Großteil seines Augenmerks vom Vereinigten Königreich abziehen und Mitglied der Gruppe der skandinavischen Länder werden, mit eigenen Armee-, mit See- und Luftstreitkräften nach Muster seiner nordischen Nachbarn«. Dies sehe der Plan vor, den SNP-Strategen ausarbeiteten. Er fließe in ein Manifest ein, das vor dem für 2014/2015 erwarteten Referendum erscheinen und die Idee einer Herauslösung Schottlands aus dem britischen Königreich schmackhafter machen soll. Nach aktuellen Meinungsumfragen sind gut ein Drittel aller Schotten für einen Alleingang. Allerdings befürworten bis zu zwei Drittel schon heute viel weiterreichende Autonomievollmachten gegenüber der Zentralregierung in London als momentan. In den letzten 20 Jahren erhielten Schottland und das neue Regionalparlament mehr Zuständigkeiten für Gesundheit, Erziehung und Polizei, Umwelt, Justiz und Tourismus. Doch der SNP reicht das nicht. Sie will den Unabhängigkeitskurs weitertreiben und hofft auf einen entsprechenden Ausgang des zugesagten Referendums in der zweiten Hälfte der fünfjährigen Legislaturperiode.
Der »Skandinavien-Plan« hat die Billigung von Parteiführer und Erstem Minister Salmond. Er wird von Angus Robertson beaufsichtigt, dem Sprecher der SNP für Verteidigungs- und Außenpolitik im Londoner Parlament. Unlängst erklärte Robertson: »Der normale Zustand für eine Nation ist, sich selbst zu bestimmen. Bei wichtigen Fragen im Verteidigungsbereich, wo in England die staatstragenden Parteien alle den britischen Besitz von Atomwaffen unterstützen, sind wir in Schottland dagegen. Doch alle Kernwaffen stehen in Schottland.« Robertson sagte auch, Schottlands Beziehungen zu den skandinavischen Nachbarn hätten seit Vereinigung der Königreiche England und Schottland 1707 durch Londons Scheuklappen Schaden genommen.
Im Unabhängigkeitsfall sieht der Skandinavien-Plan eine Verlagerung des Fokus weg von Westeuropa und Commonwealth auf eine neue Partnerschaft Schottlands mit Skandinavien in Handel, Energie- und Verteidigungsfragen vor. Bereits jetzt gibt es laut »Independent« erste ausgearbeitete Pläne »für einen Elektrizitäts-Großverbund zwischen Schottland und Norwegen«.
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