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Schatten auf Rot-Schwarz
Rücktritt Brauns verhagelt Senatsstart / Opposition pocht auf Aufklärung
Am Ende ging die Salamitaktik nicht auf. Scheibchenweise hatte Berlins Justiz- und Verbraucherschutzsenator Michael Braun (CDU) seit seinem Amtsantritt vor zwölf Tagen seine frühere Verwicklung als Notar in zwielichtige Verkäufe von minderwertigen Immobilien in Berlin eingeräumt. Auch wenn er dabei juristisch korrekt handelte, wie Braun immer wieder betonte, kostete ihn diese Verwicklungen nun sein Amt: Braun trat gestern als Senator zurück.
Er wolle mit dem Rücktritt Schaden von der Regierung abwenden, teilte CDU-Landeschef Frank Henkel am Montagmittag nach einer mehrstündigen Krisensitzung der Christdemokraten mit. In der Sitzung erhielt Braun zwar noch die volle Rückendeckung seiner Partei, dennoch teilte er dort mit, »dass es ihm angesichts der einseitigen und andauernden Presseberichterstattung nicht möglich ist, sein Amt weiter zum Wohle der Stadt zu führen«.
Der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit (SPD), erklärte im Anschluss, dass er die Rücktrittsentscheidung Brauns mit »Respekt« zur Kenntnis nehme. »Sie schafft Klarheit und zeigt auch, welch hohen Stellenwert der Verbraucherschutz hat.« Angesichts der öffentlichen Debatte bezeichnete Wowereit die Entscheidung Brauns als notwendig. »Unabhängig von der juristischen Beurteilung geht es hier auch um die politische Bewertung der aufgeworfenen Fragen«, so der Regierungschef in einer Erklärung. Die Amtsgeschäfte für den vakanten Bereich soll jetzt zunächst der CDU-Senator für Gesundheit und Soziales, Mario Czaja. mitübernehmen.
Die Opposition von Grünen und Linkspartei im Abgeordnetenhaus wertete den Rücktritt Brauns gestern unisono als überfällig. Auch die Piraten begrüßten den Schritt. »Wir sollten nicht in Schadenfreude ausbrechen. Michael Braun war für das Amt ungeeignet und hat für sich die Konsequenzen gezogen«, sagte der Fraktionsvorsitzende der Piraten, Andreas Baum. Aus der Sicht der Piraten hat der Fall Braun auch etwas Gutes: Die Berliner seien auf die Machenschaften mit Schrottimmobilien aufmerksam gemacht worden.
Für den rechtspolitischen Sprecher der LINKEN ist die Affäre Braun indes noch nicht abgeschlossen. »Nach allem, was wir wissen, hat Braun im Ausschuss und im Parlament die Unwahrheit gesagt«, sagte Klaus Lederer. Insofern war der Rücktritt konsequent. Doch die Aufklärung der Hintergründe könne damit nicht abgewürgt werden. »Wir drängen darauf, die Rolle der Kanzlei Braun und Partner weiter zu klären«, so Lederer.
Das sehen die Grünen genauso. Aus verbraucherschutzpolitischer Sicht werde man sich weiter mit dem »Komplex Schrottimmobilien« beschäftigten, kündigte deren rechtspolitischer Sprecher, Dirk Behrendt, an. Auch die Anhörung der Opfer der ruinösen Geschäfte bleibe auf der Tagesordnung des Abgeordnetenhauses.
Politisch sehen sowohl Grüne als auch die LINKE die Große Koalition angeschlagen. »Der rot-schwarze Senat hat den ersten Senator abgängig, bevor die erste Regierungserklärung gehalten wurde«, sagte Behrendt. Das sei bemerkenswert. Auf der Koalition liege ein Schatten. »Es riecht nach Landowsky-CDU.« Ähnlich äußerte sich Klaus Lederer: »Die Kosmetikkur von Henkel kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor viel politische Kultur Westberlins in der Union steckt.«
Schrottimmobilien
Sogenannte Schrottimmobilien sind minderwertige Wohnungen und Häuser, die als vermeintliche Steuersparmodelle oder zur Alterssicherung angeboten werden. Für viele Käufer – manche hatten zum Erwerbszeitpunkt kein Eigenkapital – entpuppt sich das Geschäft als finanzielles Desaster: Die Mieteinnahmen der oft überteuerten Immobilien fallen geringer aus, die Kosten sind höher als vorgerechnet und erwartet. Die Folge: Die Anleger können ihre aufgenommenen Darlehen nicht zurückzahlen.
Das Problem betrifft insbesondere viele Immobilien in Ostdeutschland. Das Thema Schrottimmobilien beschäftigt immer wieder die Justiz, bis zum Bundesgerichtshof und zum Europäischen Gerichtshof. Anleger, die sich geprellt fühlen, geben Banken die Schuld. Die Geldhäuser hätten die von überteuerten Immobilien organisiert und an überhöhten Krediten gut verdient. Die Banken wehren sich dagegen und behaupten, sie seien nur Geldgeber gewesen und hätten nichts mit dem Verkauf zu tun. (dpa)
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