Bauindustrie zwiegespalten
Branche hat die Krise gut überstanden / Sorgenvoller Blick auf explodierende Mieten
Die Bauindustrie der Region müsste eigentlich erwartungsfroh in die Zukunft schauen. Mit der Verlängerung der A 100 wie der U 5, diversen anderen Straßenbauprojekten und der Ankurbelung des Wohnungsbaus dürften jedenfalls genügend Projekte für volle Auftragsbücher sorgen. Man begrüße auch, dass der neue Senat endlich mehr in den Erhalt und in den Ausbau der Infrastruktur investieren will, aber ein Koalitionsvertrag sei »zuerst einmal eine Absichtserklärung«, so Marcus Becker, Präsident des Bauindustrieverbandes.
Auch die Industrie sehe mit Sorge, dass die Mieten in Berlin explodieren, sagte Becker. Der Senat habe zwar das Problem erkannt, aber offenbar noch keine Vorstellungen, wie bezahlbarer Wohnraum zu schaffen sei. Beim Neubau entstehen eben Mietkosten von etwa zehn Euro pro Quadratmeter, und durch die vom Senat beabsichtigte günstige Abgabe landeseigener Grundstücke werde es allenfalls »Richtung sieben Euro« gehen. Der Verband spricht sich deshalb dafür aus, mehr in vorhandene Bausubstanz zu investieren und Neubaustandards zu senken. »Und irgendwie wird man auch Geld in die Hand nehmen müssen«, glaubt Hauptgeschäftsführer Axel Wunschel. Eine Neuauflage des sozialen Wohnungsbaus alter Prägung will allerdings auch der Bauverband nicht.
Insgesamt sei die Bauwirtschaft angesichts der finanzpolitischen Turbulenzen unerwartet krisenfest durch das vergangenen Jahr gekommen, bilanzierte der Vizepräsident des Verbandes, Wolfgang Frey. Zwar sei das Gesamtbild der Branche zwiespältig, aber die Ergebnisse bis Ende September lägen über den Erwartungen zu Jahresbeginn. So wird zum Jahresende mit einem kräftigen Umsatzplus von zehn Prozent auf 5,9 Milliarden Euro gerechnet. Das Bauhauptgewerbe beschäftigte im Schnitt 35 000 gewerbliche Arbeitnehmer, 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Wachstum wurde vor allem vom Wohnungsbau getrieben, der um fast ein Viertel zulegt. Anleger suchten ihr Heil verstärkt in Immobilien, die Becker das »graue Gold« nannte. Dagegen sei das Jahr für Firmen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur »äußerst miserabel« verlaufen.
Mit etwa 2,5 Prozent werde der Wohnungsbau auch im nächsten Jahr wachsen und ein Volumen von 2,03 Milliarden Euro erreichen, so die Verbandschefs. Ansonsten erwarten sie aber eher eine negative Entwicklung, da sich die Bauwirtschaft auf Dauer nicht von der Finanzkrise abkoppeln könne. »Wir gehen davon aus, dass das Jahr 2012 für die Bauindustrie ruppiger werden wird.« Beim Umsatz wird mit einem Rückgang von etwa 2,5 Prozent gerechnet, weil sich Unternehmen und die öffentliche Hand mit Investitionen zurückhalten. Das wird nach Beckers Worten auch auf die Beschäftigtenzahl drücken. Sie geht demnach im nächsten Jahr um 1,1 Prozent auf 34 700 zurück.
Der Wirtschaftsbau - in diesem Jahr noch mit 8,3 Prozent im Plus - werde deutlich ins Minus drehen und 8,1 Prozent weniger Umsatz bringen. Der öffentliche Bau schrumpft nach Erwartung des Verbandes geringfügig, was vor allem auf das Konto Brandenburgs geht. In Berlin wird dagegen ein Umsatzplus von knapp sieben Prozent erwartet. Der Verband lobt insbesondere, dass das »Schlaglochprogramm« in den Bezirken fortgesetzt wird, mahnte allerdings erneut an, nicht nur an den Symptomen herumzudoktern, sondern die Ursachen für den schlechten Straßenzustand zu beseitigen.
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