Henkels »kleine Delle«

Affäre Braun trübte rosige CDU-Bilanz / Polizeipräsident soll schnell her

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Demonstrativ zufrieden mit sich und der rot-schwarzen Koalition zeigte sich Bürgermeister, Innen- und Sportsenator sowie CDU-Landesvorsitzender Frank Henkel am Mittwoch zu früher Stunde. »Abgesehen von einer kleinen Delle, die uns jetzt erwischt hat«, wie er vor 400 Vertretern einer ansonsten zumeist ebenfalls sichtlich zufriedenen Berliner Unternehmerschaft in ihrem Amtssitz IHK einräumte. Hier wollte er klarstellen, welche Teile des Koalitionsvertrages mit schwarzer Tinte geschrieben seien.

Eine »derzeit willkommene Abwechslung«, freute sich der Gast, der mit der Koalition einen »anderen Start erwartet« hätte. 2011 sei ja im Grunde ein erfolgreiches Jahr gewesen, und mit der Bildung von Rot-Schwarz ließen sich viele Hoffnungen verbinden. Nun hat Henkel vor allem mit der Affäre um seinen gewesenen Senator für Justiz- und Verbraucherschutz, Michael Braun, zu tun. »Ein unerfreulicher Schatten auf einem sonst zufriedenstellenden Jahr«, wie er sagt.

Nach zwölf Tagen unter dem Feuer der Kritik an der möglichen Beurkundung windiger Immobiliengeschäfte hatte Braun das Amt schließlich aufgegeben. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nannte das »dringend notwendig«. »Er war politisch nicht mehr zu halten«, sagte Wowereit laut dpa im RBB-»Jahresrückblick«. Brauns Glaubwürdigkeit als Justizsenator sei nicht wieder herzustellen gewesen.

Die Koalition mit der CDU sei keine Liebesheirat, sondern ein Zweckbündnis gewesen, sagte Wowereit. Nun sei man dabei gewesen, die neue Beziehung zu pflegen. Über den »kleinen braunen Stolperstein« müsse die rot-schwarze Koalition jetzt hinwegkommen.

Die Lösung des Problems freilich steht noch aus, wenn auch Frank Henkel über voreilige Medien spottete. »Ich lese heute in den Zeitungen, wer mir alles als Justizsenator abgesagt hat«, meinte er. »Ich habe noch gar keinen gefragt.« An anderer Stelle antwortete er unter einigem Gelächter auf die Frage nach der Aufteilung der Bereiche Wissenschaft und Forschung auf zwei Ressorts, dass er von der SPD das Ressort Wissenschaft nehmen und dafür das vakante CDU-Ressort Justiz und Verbraucherschutz eintauschen würde.

Schon ernsthafter regte der Senator eine finanzielle Aufbesserung von Regierungsmitgliedern an. Die in Berlin gebräuchlichen Einkünfte hätten schon zu Absagen von möglichem Spitzenpersonal geführt, machte er geltend.

Eine weitere offene Personalie ist allerdings als »ärgerliches Erbe« an Innensenator Henkel gegangen - der Polizeipräsident. Das will er nun abtragen und präsentierte dafür drei Möglichkeiten. Danach könne er gegen das Gerichtsurteil, das erneut Verfahrensfehler bei der Postenvergabe aufdeckte, Beschwerde einlegen. Das verlängere jedoch das Leiden. Lange dauerte es auch, würde das Verfahren gestoppt und das Amt neu ausgeschrieben.

Da es dem Innensenator offenkundig nicht ratsam erscheint, ohne Polizeipräsidenten in den 1. Mai zu gehen, denkt er nun über eine dritte Variante nach. Der Innensenator müsse mit dem Polizeichef »können«, das sei also im Grunde ein politisches Amt. Warum also solle man ausschreiben, wenn man auch ernennen könne? Der nächste Innensenator könne dann ja wieder entlassen. In jedem Falle solle alles getan werden, damit die Stadt möglichst schnell einen neuen Polizeipräsidenten bekomme.

Zum Thema des Tages selbst merkte der CDU-Spitzenmann an, dass sich im Koalitionsvertrag »beide Seiten zum Teil« durchgesetzt hätten. Der Hauptstadtflughafen, die A 100 oder die Entwicklung des Geländes des dann ehemaligen Flughafens Tegel seien keine Streitpunkte gewesen.

Ausdrücklich als mit schwarzer Tinte geschrieben hob er die Abschaffung des Öffentlichen Beschäftigungssektors sogar als »Paradigmenwechsel« hervor. Er präsentierte sich als Anwalt des Mittelstandes, Totengräber des unseligen Straßenausbaubeitragsgesetzes und Retter der Gymnasien. Dort, wo es gewünscht werde, solle es auch Gemeinschaftsschulen geben. Besonders großzügig gab sich Henkel beim künftig »vollständig freiwilligen« Jahrgangsübergreifenden Lernen (JüL). Daran freute ihn offenkundig vor allem die Möglichkeit der Abschaffung, und der Beifall im Saal schien ihn zu bestätigen.

Ansonsten mochte Henkel Wowereit zustimmen, der die CDU als »gut ergänzendes Kontrastprogramm« gewürdigt hatte.

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