Feier für den »hohlen Zahn«

Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mahnt seit 50 Jahren zur Einkehr

  • Esteban Engel, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Als Anti-Kriegsdenkmal wurde sie eingeweiht, heute ist sie ein Ort der Ruhe mitten in Berlin: Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Charlottenburger Breitscheidplatz. Der »hohle Zahn«, wie sie Einheimische nennen, mahnt seit 50 Jahren zur Einkehr. Mit einem Festgottesdienst wurde das Jubiläum am Sonntag gefeiert. Bischof Markus Dröge nannte den Bau ein Bekenntnis zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte.

Die Ruine und der Neubau in der Nähe des Kurfürstendamms, nur einige Schritte entfernt vom KaDeWe, locken jedes Jahr etwa eine Million Menschen, viele von ihnen mit Einkaufstaschen. »Die meisten sitzen dann einige Minuten still da«, berichtet Pfarrer Martin Germer. Zum Geburtstag am Samstag blieb das evangelische Gotteshaus von Gerüsten umhüllt. Der Turm sieht zur Zeit aus wie ein Bürohaus der 70er Jahre.

Der Beton ist verwittert, an den Fenstern dringt Feuchtigkeit hinein und das Licht kommt nur mühsam durch das blaue Glas. Vor allem die Korrosionsschäden im Stahlbeton bereiten den Kirchenleuten Sorgen. Anfang Januar sollen die Arbeiten am wilhelminischen Turm im neoromanischen Stil beginnen. In einem ersten Schritt soll später die marode Plattform des modernen Baus des Architekten Egon Eiermann saniert werden, auf der das Ensemble steht. Die Gedächtniskirche ist in die Jahre gekommen. Wind, Regen, Schnee und Abgase haben der Oberfläche zugesetzt. Zur Zeit wird die Turmruine für 4,2 Millionen Euro saniert.

Dabei war der Erhalt der Turmreste zunächst nicht geplant. Im November 1943 war bei einem Luftangriff das Kirchengebäude in Flammen aufgegangen, der Dachstuhl stürzte ein, der Hauptturm brach teilweise in sich zusammen. Nach dem Krieg stand der Turm lange wie ein Solitär in der Trümmerlandschaft. Als man 1956 den vom Einsturz bedrohten Kirchenchor abreißen wollte, regte sich Widerstand. Manche sahen Parallelen zur Sprengung des Hohenzollern-Schlosses im Osten Berlins.

Der 68 Meter hohe Turm-Stumpf blieb stehen - gegen den Widerstand der Berliner Verwaltung, die das gesamte Areal für den Autoverkehr platt machen wollte. Statt der Kirche schlug die Baubehörde als Kompromiss einen Springbrunnen vor.

Doch die Kirchengemeinde ließ nicht locker. Nach einem Wettbewerb beauftragte sie den Architekten Egon Eiermann (1904-1970) mit dem Bau - der Entwurf löste einen Sturm der Entrüstung aus. »Wir können doch nicht überall Fabrikhallen errichten«, sagte ein SPD-Abgeordneter. Die Fachwelt jubelte. Es sei die vielleicht »großartigste Plastik der Welt«, freute sich der amerikanische Bildhauer Alexander Calder.

Das Ensemble wurde Wahrzeichen des westlichen Berliner Stadtzentrums und ein Vorzeigebau der Nachkriegsmoderne.

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