Renaissance der Clowns
Im Acud zeigt die Theatergruppe Kavardak auf sympathische Art und Weise, dass Lachen befreit
Der Mann steht im Regen. Eigentlich wollte er sich eine Zigarette anzünden. Doch die Streichholzschachtel war leer. Konnte er die Zigarette also wieder wegpacken. Dann findet er doch noch ein Streichholz in der Jackentasche. Also holt er die Zigarette wieder heraus und fischt die Streichholzschachtel erneut aus der Tasche hervor. Jetzt kann er das Streichholz anzünden. Umsonst. Ein Gewitterregen stürzt auf ihn herab.
So ist das immer. Wir sind schließlich in Sun City. Hier geht alles schief. Vor allem mit der Sonne. Kaum streckt jemand seine Nase zum Bräunen vor, schiebt sich ein fetter Kumulus heran und schüttet prompt seine nasse Last ab. Dieses Spiel betreibt die Clown-Theatergruppe Kavardak in ihrem Stück »Sun City« im Acud-Theater.
Noch gar nicht lange her, da hieß die Truppe »Die Außenseiter«. Das wollten sie nicht mehr sein. Kavardak trifft es auch besser. Im Russischen wird das Wort benutzt, wenn es darum geht, etwas auf den Kopf zu stellen.
Die Kunst von Clowns erlebt momentan eine Renaissance. Überall tauchen sie auf. Ihre neue Beliebtheit in Programmen für Erwachsene kann viele Ursachen haben. Da ist jemand zu erleben, der hat noch mehr Pech als man selbst. Er zeigt seine Misere mit viel Mimik und ohne Gerede. Man leidet mit und lacht. Dieses Lachen befreit. Schadenfreude ist etwas anderes. Und wenn der Clown seine Kunst gut versteht, dann fliegt ihm die Sympathie schnell zu.
Kavardak kann das. Man geht leichten Schrittes seiner Wege, wenn man das Clown-Nummern-Stück gesehen hat. Nach der Idee und unter der Regie von Stanislaw Bogdanov entstand die neue Produktion. Bogdanov schuf für das Programm, in dem er mit seiner Partnerin Jelena Bolsuna spielt, Ereignisketten, deren Glieder sich nach und nach zusammenfügen. Man glaubt es kaum - es gibt sogar ein Happy End.
Vorher jedoch sieht man Mann und Frau jeweils einsam. Die Frau wahrt zwar zunächst den Schein, ist aber reineweg verzweifelt. Sie will ihrem Leben ein Ende setzen. Doch das soll nicht sein. Sie versucht es mit Gift, das letztlich als Alkohol eines ist, sie aber nicht umbringt. Ein Galgenstrick wird bei ihr zum Springseil. Und wenn sie sich elegant auf die Schienen legt, wird der Zug garantiert auf ein anderes Gleis umgeleitet. Der Mann indes gerät in ein Unwetter nach dem anderen. Und wenn er es sich mal auf dem Trockenen gemütlich machen will, muss er sich mit dem Eigensinn von Kissen plagen.
Kavardak versteht es gut, seine Ideen vor der grauen »Skyline« von Sun City umzusetzen. Lediglich die Pausen zwischen den Szenen gerieten bei der Uraufführung noch zu lang. Mit dem Licht lässt sich besser arbeiten. Aber das ist ein technisches Problem, das sich lösen lässt. Mit der Musik hingegen klappt es. Sie ist gut gewählt und eingesetzt. Die in Moskau und Berlin ausgebildeten Künstler der Truppe haben bereits mit dem Cirque Du Soleil zusammengearbeitet. Sie waren mit ihm zuletzt 2009 und 2010 mit dem Programm »Zed« auf Tournee in Tokio. In dem großen Zirkusunternehmen wird lange an den Produktionen »gefeilt«, bis sie als fertig gelten. Diese Zeit lässt die Arbeit an kleinen Berliner Theatern nicht. Jetzt oder nie ist da die Devise. Für die preisgekrönte Theatergruppe Kavardak kein Problem. Denn mit »Sun City« setzen sie ihre erfolgreiche Arbeit fort. Und so eigenartig das anmutet - von der Art her, wie einen dieses Programm zu berühren in der Lage ist, besitzt es mehr vom Wesen der Weihnacht als alles andere, das rundherum mit Getöse bunt geschmückt passiert. Kavardak hat Herz. Das wird immer und überall gebraucht.
21. und 22.12., 20 Uhr, Acud-Theater, Veteranenstr. 21, Mitte, Tel.: (030) 44 35 94 97. www.acud.de
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