Jubiläum der Stadt mit den sieben Siegeln
Vielfalt der Menschen und ihrer Geschichte wird Leitlinie der 775-Jahrfeier
2012 feiert Berlin sein 775. Stadtjubiläum. Erst drei Mal hat die Stadt Geburtstag gefeiert - 1937 unter der Nazidiktatur, aber ohne »Führer« und stark kommunal ausgerichtet. 1987 gab es ein Fest gleich in jeder Stadthälfte extra. Im nächsten Jahr feiert die Stadt gemeinsam. Dabei erscheint das Jubiläum »ein bisschen unrund«, wie Senatssprecher Richard Meng gestern im Roten Rathaus bei einem Ausblick auf die Gestaltung des Stadtjubiläums einräumte.
Das große Fest ist auf den 28. Oktober 2012 datiert. 775 Jahre zuvor hatte es die erste urkundliche Erwähnung der Berliner Schwesterstadt Cölln gegeben. Sieben Siegel trägt dieses Pergament. 1307 wurde die Doppelsiedlung Berlin-Cölln vereint. Schauplatz der Feierlichkeiten wird insbesondere diese historische Mitte um Nikolai-, Petri- und Marienkirche, zwischen Jüden- und Klosterstraße, an Klosterruine, Mühlendamm und Breite Straße sein.
Die Erwartung eines großen Festumzuges wie zur 750-Jahr-Feier 1987 in der DDR-Hauptstad musste Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der landeseigenen Gesellschaft Kulturprojekte Berlin, allerdings enttäuschen. Die Gesellschaft hat die Konzeption und Organisation der Feierlichkeiten übernommen und verneint, dass es einen großen Umzug geben werde. Wie Berlin sich selbst inszenierte, wird immerhin Thema einer Open-Air-Ausstellung sein.
Auch andernorts gibt es einiges zu sehen und zu hören. So wird mit Feuer und Licht nach einem offiziellen Festakt in der Nikolaikirche die historische Mitte illuminiert und »zu mittelalterlichen Klängen in Szene gesetzt«. Acht Ausstellungen präsentieren die Stadt im Mittelalter. Im Rahmen des Monats der Fotografie gibt es Berlinbilder und andere Blicke auf Berlin in über 100 Galerien und Museen. Hinzu kommen die Historiale und manches mehr.
Größte Vielfalt kann auch als die herrschende Leitlinie der Präsentation der Geschichte der Berliner selbst gelten. Denn von Anbeginn kommt der Berliner zumeist aus aller Welt und eben nicht, wie manche Alteingesessene meinen, nur von der Spree. Rheinisch-westfälische Händler, Hugenotten, Russen, Türken und andere siedelten hier. Böhmen kamen, polnische Wanderarbeiter, Juden aus Osteuropa.
Die 1950er Jahre wurden im Westteil zur Zeit der Arbeitsmigranten aus Ländern wie Italien, Spanien, Griechenland, Portugal, Jugoslawien, Marokko und Tunesien. Der Ostteil vervollkommnete solche Vielfalt ab zweite Hälfte der 1960er Jahre mit Vertragsarbeitern aus Polen, Kuba oder Vietnam.
»Aus ca. 2000 Siedlern im Jahr 1237 wurden in einer wechselvollen Geschichte von Migration und kulturellem Austausch 3,5 Millionen ›global city‹-Bewohner«, heben die Veranstalter hervor. Das Kommen und Gehen halte unvermindert an. 1,5 Millionen Menschen seien allein in den letzten 20 Jahren zu- bzw. abgewandert. Es ist folgerichtig, dass mit 775 Porträts in einer Ausstellung auch die Antwort versucht wird, wer und wie der Berliner zwischen Metropole und Kiez nun wirklich ist. Der Berliner selbst kann also auch ein wenig auf sich gespannt sein.
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