Kritik von türkischen Armeniern an Paris
Patriarchat warnt vor Spannungen
Istanbul (AFP/nd). Vor der Abstimmung des französischen Parlaments über einen umstrittenen Gesetzentwurf zum Völkermord an den Armeniern haben armenische Vertreter in der Türkei die Pariser Initiative kritisiert. Das armenische Patriarchat in Istanbul warnte nach Presseberichten vom Mittwoch vor einem Schaden für die Beziehungen zwischen Armeniern und Türken. Die Pariser Nationalversammlung will am Donnerstag über ein Gesetz abstimmen, das die Leugnung des Völkermordes unter Strafe stellt. Der Entwurf sieht bis zu ein Jahr Haft und eine Geldstrafe von 45 000 Euro vor.
Armenien und ein Großteil der internationalen Forschung gehen davon aus, dass die Regierung des Osmanischen Reiches in den Jahren 1915 bis 1917 mit Massakern und Todesmärschen die Volksgruppe der Armenier auslöschen wollte. Von bis zu 1,5 Millionen Opfern ist die Rede. Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermordes zurück und argumentiert, zu jener Zeit seien auch viele muslimische Türken bei Unruhen von armenischen Freischärlern getötet worden. Heute leben noch rund 60 000 Armenier in der Türkei.
Das armenische Patriarchat erklärte mit Blick auf den französischen Gesetzentwurf, die 1600 Jahre gemeinsamer Geschichte von Armeniern und Türken dürften nicht für immer unter dem Schatten der Ereignisse von 1915 bleiben. Der Bruder des 2007 von türkischen Rechtsextremisten erschossenen Journalisten Hrant Dink kritisierte das Gesetzesvorhaben als Angriff auf die Meinungsfreiheit. Hrant Dink sei stets gegen solche Gesetze gewesen, sagte Orhan Dink im Sender CNN-Türk. Er verglich den französischen Gesetzentwurf mit dem berüchtigten Paragraphen 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der die »Beleidigung des Türkentums« unter Strafe stellt. Das französische Gesetz sei eine »Beleidigung« der Armenier, sagte Orhan Dink.
Die türkische Regierung hatte Frankreich in den vergangenen Tagen mehrfach vor einer Annahme des Gesetzes gewarnt und mit einer Herabstufung der bilateralen Beziehungen sowie möglichen Wirtschaftssanktionen gedroht. Nach türkischen Presseberichten versuchte der türkische Staatspräsident Abdullah Gül, mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy über das Thema zu reden. Sarkozy habe jedoch nicht mit Gül telefonieren wollen.
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