Jahn will Campus auf MfS-Gelände

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(dpa). Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall soll das frühere Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR in Berlin zu einem Campus der Demokratie werden. Das kündigte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, an. »Meine Vorstellung ist, das nun fertig sanierte Haus 1 mit dem original erhaltenen Büro von Stasi-Chef Erich Mielke, das nahe Archiv mit geretteten Stasi-Akten sowie eine umfangreiche Bibliothek jeden Tag für Besucher zu öffnen, um dauerhaft über das Wirken der Stasi aufzuklären.«

»Das ist ein historisch authentischer Ort, aus dem eine Schule der Demokratie mit ständiger Ausstellung, täglichen Führungen und vielen Bildungsangeboten werden kann. Hier kann man sehen, hören und fühlen, wie Diktatur funktioniert hat«, sagte der frühere DDR-Oppositionelle. »Wer einmal vor den riesigen Aktenreihen gestanden hat, begreift besser, wie die Stasi in ihrer Sammelwut menschenrechtswidrig Daten über Millionen von Menschen zusammengetragen hat.« Das sei gerade für Jüngere wichtig. »Mit den Zeugnissen der Vergangenheit wird es möglich, sich einzulassen auf die DDR-Zeit«, sagte Jahn.

Bislang können nur Teile des riesigen Komplexes auf rund 22 Hektar im Berliner Stadtteil Lichtenberg gelegentlich besichtigt werden. Bis zu 7000 hauptamtliche Mitarbeiter des MfS residierten allein hier als »Schild und Schwert« der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).

Als erstes wurde das bröckelnde, denkmalgeschützte Haus 1 mit dem früheren Mielke-Amtssitz an der Normannenstraße für elf Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II hergerichtet. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) wird es am 11. Januar der Öffentlichkeit übergeben. Am 14. Januar ist dann ein Bürgertag in der früheren Zentrale des MfS unter dem Motto »Wissen wie es war« geplant.

Zeitzeugengespräche stehen auf dem Programm, Hilfe beim Beantragen der Akteneinsicht sowie Filmvorführungen und Rundgänge. Jahn wird sich zusammen mit seinen Amtsvorgängern Marianne Birthler und Joachim Gauck der Diskussion stellen.

Am 15. Januar erinnert dann der Verein »Antistalinistische Aktion« (ASTAK) im Haus 1 wieder an die Erstürmung der einstigen Machtzentrale vor genau 21 Jahren. Am 15. Januar 1990 hatten empörte DDR-Bürger massenhaft Akten vor der Vernichtung gerettet.

Um ein Konzept für die zentrale Schaltstelle des SED-Herrschaftssystems war rund 20 Jahre lang gestritten worden. »Da hatte sich einiges verknotet«, sagte Jahn, der seit März im Amt ist.

Eine Dauerausstellung über das Wirken der Staatssicherheit im Haus 1 werde gemeinsam mit dem ASTAK-Verein erarbeitet. Sie solle auf drei Etagen 2013 eröffnet werden, wie Jahn sagte. Der Verein hatte bis zur Sanierung ein Museum in dem Gebäude betrieben, auf eigene Aufarbeitungsprojekte gepocht und sich an den Rand gedrückt gefühlt.

»Vereine und Initiativen werden ihren Sitz wieder in Haus 1 haben, wir arbeiten zusammen«, betonte Jahn. »Gesellschaftliches Engagement bei der Aufarbeitung muss unterstützt und nicht weggedrückt werden«, so der 58-Jährige. Seine Behörde ist nach dem Gedenkstättenkonzept des Bundes für die Einrichtung der Dauer-Ausstellung verantwortlich.

Zum Campus der Demokratie sollen nach den Vorstellungen Jahns auch Informations-Stelen im Innenhof gehören. Dazu soll es eine Bibliothek, ein Buchshop und ein Café geben.

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