Diakonie kommt von Diener
Ver.di kämpft für bessere Demokratie- und Sozialstandards in kirchlichen Einrichtungen
»Gott kann man nicht bestreiken«, pflegen Kirchenobere zu sagen, wenn Gewerkschafter das Grundrecht auf Arbeitskampfmaßnahmen auch in kirchlichen Einrichtungen wie Kliniken und Altersheimen einfordern. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zeigt sich von solchen Argumenten unbeeindruckt: Ihre Kampagne »Streikrecht ist Grundrecht« kommt jetzt in Fahrt.
Und die Aktionen richten sich nicht gegen Gott, das fliegende Spaghettimonster oder sonstige höhere Wesen. Sondern gegen die teils miserablen Arbeitsbedingungen beim Diakonischen Werk. 27 000 Einrichtungen betreibt, 450 000 Mitarbeiter beschäftigt der Wohlfahrtskonzern der Evangelischen Kirche. Der jährliche Umsatz liegt im dreistelligen Millionenbereich - größtenteils finanziert aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Doch innerbetriebliche Demokratie und verbriefte Arbeitnehmerrechte sind bei der Diakonie Fremdworte.
Die Folgen: Die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks weisen Löhne aus, die meist unter denjenigen liegen, die die Tarifregelungen des Öffentlichen Dienstes festlegen. Teils liegt die Differenz bei über 20 Prozent. In vielen Diakonischen Einrichtungen toben heftige Konflikte, die kaum mehr gedeckelt werden können, so in Oldenburg, Herne und Hamburg. Mitunter ist von Extremfällen mit Outsourcing, Neueinstellungen zu noch schlechteren Lohnbedingungen und Mobbing die Rede.
Solche Streitigkeiten will die Evangelische Kirche am liebsten in den aus ihrer Sicht bewährten »Arbeitsrechtlichen Kommissionen« befriedet sehen. Im Kirchenjargon spricht man diesbezüglich von einem »Dritten Weg« und von einer »Dienstgemeinschaft« von Arbeitgebern und Beschäftigten. Entsprechend sollen die Kommissionen »Konsensentscheidungen« fällen. Notfalls müssen kircheninterne Schlichter ran.
Arbeitskämpfe und antagonistische Konflikte sind in diesem Modell einfach nicht vorgesehen: Diakonie leitet sich vom altgriechischen Wort für »Diener« ab - das ist Programm. Und soll es auch bleiben: Am 9. November verabschiedete die Synode der Evangelischen Kirche in Magdeburg ein »Kirchengesetz« zum »Arbeitsrecht« in der Diakonie. Darin sprach sich das Kirchenparlament vehement für die Beibehaltung des »Dritten Weges« aus.
Es wurde auch Kritik an der Praxis einiger Diakonieeinrichtungen geübt: Wer unter dem Druck verschärften Wettbewerbes auf »privatrechtliche Konstruktionen« setze und »Missstände« wie Outsourcing, Lohnsenkungen, Leiharbeit und »nicht hinnehmbare Niedriglöhne« zulasse, müsse mit Ausschluss aus dem Diakonischen Werk rechnen. Schließlich gelte es, »die Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns zu erhalten«, heißt es in einer Pressemitteilung.
Auf diese Beschlüsse habe man sich nach lebhafter Diskussion einmütig geeinigt. Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt sprach gar von einem »Musterbeispiel eines demokratischen Prozesses«. Mit Demokratie sollte sich die Grünenpolitikerin eigentlich auskennen: Schließlich ist Göring-Eckardt Vizepräsidentin des Bundestages.
Doch Mitglieder und Regeln der »Arbeitsrechtlichen Kommissionen« bestimmen Kirchen und Diakonie nach Gutsherrenart - und ohne Beteiligung der Beschäftigten. Ver.di hingen fordert die gleichen Arbeitsbedingungen wie in weltlichen Unternehmen, inklusive Streikrecht, Tarifverträgen und Abschaltung der »Arbeitsrechtlichen Kommissionen«.
Die Gewerkschaft setzt dabei weniger auf die Einsicht der Kirchenoberen, sondern auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die im Frühjahr ansteht. Und auf Aktionen von unten - organisiert insbesondere über die Kampagnenwebseite und die Social-Media-Plattform Facebook. Unterstützt wird die ver.di-Kampagne auch aus Reihen der Linkspartei und, pikant für Göring-Eckardt, von einigen Gliederungen der Grünen.
www.streikrecht-ist-grundrecht.de
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