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Queerbeet

Vicky Leandros im Tipi

  • Lesedauer: 3 Min.

Am Ende hatte Vicky Leandros den Saal auf ihrer Seite. Stehende Ovationen für eine Künstlerin, die erstmals im Tipi gastierte, auf für sie wohl unsicherem Terrain. Die seit ihrem Debüt 1965 souverän den Spagat zwischen Schlager und Chanson bewältigt und die Mitklatsch-Fans ebenso begeistert wie die Zuhör-Freaks. Die in einem halben Dutzend Sprachen aufnimmt, gut 50 Millionen Tonträger verkaufte. Im Fall der auf Korfu geborenen Vicky Leandros spricht das auch für Qualität. Für Berlin hat sie sich eines Orchesters von Rang versichert, den das Capital Dance Orchestra schon zum Auftakt selbstbewusst swingend unter Beweis stellt. Dann kommt sie: in kurzärmlig langem Schwarz, bescheiden im Auftritt, anspruchsvoll im Song. Denn mit »Après toi« siegte sie 1972 im Grand Prix d’Eurovision, als es dort noch nicht nur um Kommerz ging. In Bestform war sie da bei der Premiere noch nicht, hörte im Ohrstick ihre Stimme nicht, was während der Probe hätte geklärt werden müssen, klang in den Höhen schrill. Auch die Big Band deckte von der Lautstärke her eher zu.

Dann ging es querbeet durch ein mittlerweile Hunderte von Songs zählendes Repertoire. »Wie sich Mühlen dreh‘n im Wind« von Michel Legrand folgte mit »J’attendrai« ein sanftes Chanson über die Liebe. Fein modelliert und tief berührend gelang Vicky als nachweihnachtliche Reminiszenz der »Drummer Boy«, die Story vom armen Trommler, der dem Jesus-Kind nur sein Spiel schenken kann; sensibel begleitete Vickys ständiger Pianist Bo Heart. Von Xavier Naidoo stammt der wunderbare Text zu »Wie ein Kind«, das Diamanten weint, Perlen an der Tür des Wunders hinterlässt. Endgültig überzeugte Vicky Leandros mit einem weiteren Legrand-Chanson: Bei »Free again«, von weichen Streichern unterlegt, konnte sie nicht nur endlich ihre Stimme selbst kontrollieren, sondern im dramatischen Gestus und der intensiven Gestaltung auch glaubhaft machen, wie sich eine verlassene Frau ihre neue »kostbare Freiheit« schönredet.

Lange Moderationen zwischen den Songs sind Vickys Sache nicht, eher scheu und ungelenk wirkt sie da, erzählt eben einfach über Stationen ihrer Karriere. Etwa von der ersten BBC-Show, bei der sie den Text vergaß: Dieses »Fire and Rain« sang sie nun im Duo mit dem Pianisten textsicher und angenehm angejazzt, ließ gar Temperament fühlen. Ein mitreißendes Pausenfinale wäre bereits »Aus der Ferne«, Vickys deutsche Version von »From a distance«. Doch sie zündet noch ein heimatliches Licht an, singt ein Medley griechischer Weihnachtslieder. Ganz authentisch ist Leandros da, das sanfte griechische Mädchen, das die Zuschauer in nationaler Euphorie Fähnchen schwenken lässt.

Im zweiten Teil kommt sie den Erwartungen des Publikums an die erfolgreichen Deutschsongs entgegen. Kurzes Schwarz trägt sie, mit silbernen Epauletten, als sie »Ich bin, wie ich bin« zum besinnlichen Mitklatsch-Titel macht. Naidoo verdankt sie »Wenn du jetzt gehst« mit seiner düsteren Stimmung und leitet damit zu einem weiteren Grand-Prix-Erfolg über: »L’amour est bleu« von 1967. Ob allerdings Big Band und Leandros, die empfindsame Sängerin mit der großen Bandbreite, wirklich passfähig sind, bleibt die Frage.

Bis 30.12., Tipi

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