Burgfrieden für die Ratspräsidentschaft
Dänemarks Regierung will sich im kommenden Halbjahr ganz auf die EU-Führung konzentrieren
Als eine knappe Mehrheit der Dänen 1992 zur Ratifizierung des Maastricht-Vertrages durch Kopenhagen Nein sagte, war dies ein Schock für das politische Establishment Dänemarks wie der gesamten EU. Die Ablehnung durch die Bevölkerung kam so unerwartet, dass die damalige Mitte-Links-Opposition einen Vorschlag ausarbeitete, wie »die Krise« gelöst werden könne: In einer folgenden Volksabstimmung wurden vier Vorbehalte zur Rechts-, Sicherheits- und Finanzpolitik angenommen. Sie regeln, dass Dänemark einige Bestimmungen in diesen Bereichen nicht umsetzen muss. Die Vorbehalte sind weiter in Kraft und werden beispielsweise im Stabilitätspakt für den Euro erneut bekräftigt.
Die Mitte-Links-Parteien, die damals den Vorschlag ausarbeiteten, bilden seit Oktober 2011 die Regierung in Kopenhagen - und leiten die am 1. Januar beginnende siebente Ratspräsidentschaft Dänemarks. Die vorangegangene, im zweiten Halbjahr 2002, war eine Sternstunde dänischer Politik, wurde doch in letzter Minute die Aufnahme osteuropäischer Staaten in die EU beschlossen. Auf solche Triumphe kann Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt heute jedoch nicht zu hoffen, denn die politische und insbesondere ökonomische Realität nach dem vergangenen Boomjahrzehnt erzwingt die Konzentration auf wenig glamouröse, aber für die Gemeinschaft überlebenswichtige Themen. Die Implementierung des Euro-Stabilitätspaktes hat oberste Priorität. »Die gemeinsame Euro-Rettung ist das wichtigste Ziel für uns. Wir wollen keine Zahlenmodelle diskutieren, sondern ein einiges Europa sichern. Wachstumsinitiativen können erst nach der finanzpolitischen Sicherung Europas kommen«, erklärte Thorning-Schmidt vor der Übernahme des Ratsvorsitzes. Damit verbunden sind die Regulierung des Banksektors und verschärfte Forderungen nach Kapitalrücklagen an die Banken.
Thorning-Schmidt kennt das EU-System aus ihrer Zeit als Beschäftigte im dänischen EU-Sekretariat und als Parlamentarierin. Sie setzte bei ihrer Regierungsbildung ein Zeichen, als sie erstmals mit dem Sozialdemokraten Nikolaj Wammen einen Europaminister ernannte. Innenpolitisch kann sie sich auf einen Burgfrieden mit der bürgerlichen Opposition in EU-Fragen stützen, der ihr die Konzentration auf die arbeitsintensive Präsidentschaft erlauben wird. Für die innenpolitische Szene wird ihr freilich wenig Zeit bleiben.
Das dänische Ratsprogramm umfasst keine neuen politischen Initiativen, sondern konzentriert sich voll auf die Durchsetzung des geplanten Gesetzgebungsprozesses und die Vorbereitung der langfristigen EU-Finanzplanung für 2014 bis 2020. Neben der Absicherung der EU-Finanzierung generell ist Dänemark daran interessiert, dass die Agrarsubventionen auf Strukturfonds für Wachstum, Ausbildung und Forschung umgelegt werden. Als Staat mit fast vier Jahrzehnten EU-Erfahrung wird von Dänemark erwartet, diesen Prozess so weit wie möglich voranzutreiben, um den Beschluss, der während der folgenden zyprischen Präsidentschaft gefasst werden wird, abzusichern.
Thorning-Schmidts Regierung wird selbst einen Sparkurs fahren müssen, um die Forderungen des Stabilitätspaktes zu erfüllen. Einsparungen in staatlichen und kommunalen Budgets stehen auf der Tagesordnung. Eine Volksabstimmung zur Aufhebung der Vorbehalte im Rechts- und Verteidigungsbereich soll stattfinden. Parallel dazu wächst der Anteil der Dänen, die einen Beitritt zur Eurozone ablehnen.
Das einzige Gebiet, auf dem Dänemark versuchen wird, einen auf EU-Ebene ins Stocken geratenen Prozess wieder in Gang zu bringen, ist die Umwelt- und Klimapolitik. Hier will sich die dänische Regierung mit einem Kurs profilieren, der dem eigenen grünen Ruf entspricht und der heimischen Clean-Tech-Industrie ein Fenster nach Europa öffnen soll. Die Hoffnung dabei ist, auf die Ausformung des 7. Umweltrahmenplans der EU (2013 bis 2023) Einfluss nehmen zu können und insbesondere die Umstellung auf erneuerbare Energie voranzutreiben. Die zuständigen Fachminister Ida Auken und Martin Lidegaard haben bereits unterstrichen, dass Klima- und Umweltprobleme der ökonomischen Krise ebenbürtig sind und ein Forschungs- und Investitionsprogramm zur Überwindung dieser Krise beitragen kann.
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