Die islamische Karte
Ägyptens Muslimbrüder erfreuen sich immer mehr der Gunst des Westens
Die dritte Wahlphase betrifft den nördlichen Teil der Sinai-Halbinsel. Nach dem 25. Januar neu gegründete nichtreligiöse Parteien sind kaum vertreten in dem Gebiet, in dem vor allem die Muslimbrüder und die radikaleren Salafisten Anhänger haben. Auf dem Sinai leben vor allem Nomaden in Großfamilien und Stämmen, sie gelten als sehr konservativ. So ist den »Salafisten des Kampfes«, die nahe bei Rafah im Grenzgebiet zu Israel leben, nach den sehr strengen religiösen Gesetzen ihrer Linie der Urnengang verboten. Weniger dogmatisch geht es bei den »Salafisten, die dem Ruf folgen« in der Gegend von El-Arish zu, sie beteiligen sich aktiv an den Wahlen. Wegen der israelischen Politik gegen Gaza und israelische Nomaden ist die Ablehnung gegenüber Israel in der Region sehr hoch. Auf Grund systematischer Vernachlässigung der Region durch die Zentralmacht unter Husni Mubarak wird die Bevölkerung seit Jahren in die Arme religiöser Parteien und da vor allem der Salafisten getrieben.
Diese machten kürzlich eine überraschende Geste der Versöhnung gegenüber Tel Aviv, als Yusri Hammad, der Sprecher von Al Nur, im israelischen Rundfunk erklärte, die Salafisten würden den Friedensvertrag mit Israel respektieren. Es war das erste Mal überhaupt, dass ein Vertreter der radikalen Salafisten im israelischen Rundfunk zu Wort kam.
Sowohl in Israel als auch bei Ägyptens bisherigen Stützen EU und USA vermutet man augenscheinlich, dass auf die islamischen Parteien in den Ländern des »Arabischen Frühlings« mehr Verlass ist als auf junge Revolutionäre, Kommunisten, Sozialisten oder Nationalisten. Außerdem wurde den säkularen Kräften, die den Aufbruch mit ihrem Engagement erst in Gang gebracht hatten, bisher an den Wahlurnen eine deutliche Absage erteilt. Die Hintermänner der religiösen Parteien, die in Katar, Saudi-Arabien oder der Türkei sitzen, gehören zu den Wahrern westlicher Interessen in der Region. Die ägyptische Muslimbruderschaft orientiert sich an der in der Türkei regierenden Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt (AKP), die wiederum - als Modell eines moderaten Islam - von ihren westlichen Verbündeten ermuntert wird, die Führung des »Arabischen Frühlings« zu übernehmen. Auch die AKP ist eine Partei der Muslimbruderschaft. Die Salafisten wiederum werden von Katar und Saudi-Arabien gefördert.
Im Juni hatte US-Außenministerin Hillary Clinton einen Kurswechsel in Sachen Muslimbruderschaft vorgegeben. Man habe bereits »begrenzt« Kontakt mit der ägyptischen Muslimbruderschaft gehabt, nun wollten die USA die Beziehungen ausbauen, sagte sie damals in Budapest. Es sei »im Interesse der USA«, mit allen Parteien Kontakte zu pflegen, die sich einem friedlichen Wettbewerb um Einfluss im Parlament und das Präsidentenamt befänden«, sagte Clinton und gab gleich noch die Eckpfeiler vor, die zukünftige Machthaber in Kairo zu befolgen hatten, wenn sie von den USA unterstützt werden wollten: demokratische Prinzipien, Gewaltfreiheit, Respekt vor Minderheitenrechten und Frauen« und natürlich die Anerkennung Israels. Letzteres sagte die US-Außenministern nicht wörtlich. Sie sprach von »bestimmten Erwartungen«, die man habe und von »bestimmten Botschaften«, die man den Muslimbrüdern vermittelt habe.
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