Sieben Jahre ohne Gewissheit
Gedenken in Dessau: Am 7. Januar 2005 verbrannte Oury Jalloh in einer Polizeizelle
»Ein Licht für Oury Jalloh« ist die Veranstaltung überschrieben, zu der für heute 11 Uhr vor die Polizeiwache in der Wolfgangstraße in Dessau eingeladen wird. Auf Einladung der Stadt und ihres Ausländerbeauftragten, des Multikulturellen Zentrums und von Flüchtlingsinitiativen wird an den tragischen Tod eines damals 21-jährigen Flüchtlings im Polizeigewahrsam erinnert. Vorgesehen sind ein kurzer Redebeitrag; zudem sollen auf den Stufen der Wache Kerzen abgestellt werden.
Jalloh war am Mittag des 7. Januar 2005 in Zelle 5 im Keller des Gebäudes verbrannt. Am Morgen des Tages war er von Polizisten in Gewahrsam genommen worden, weil er in angetrunkenem Zustand Frauen behelligt haben soll.
Wie es zu dem Feuer kam und ob Polizisten daran eine Mitschuld tragen, versuchen seither Gerichte zu klären. Zunächst hatte es sehr lange gedauert, bevor überhaupt Anklage erhoben wurde; es bedurfte starken Drucks von Flüchtlingsinitiativen und Freunden Jallohs, bis sich vor dem Landgericht Dessau zwei Polizeibeamte verantworten mussten. Ihnen wurde vorgeworfen, nicht schnell genug auf das Signal eines Brandmelders reagiert und ein Feuerzeug übersehen zu haben, mit dem Jalloh die Matratze, auf der er gefesselt war, selbst angezündet haben soll.
Geklärt ist die Schuldfrage bis heute nicht. Das Dessauer Gericht sprach die Angeklagten 2008 frei. Der Richter rügte, Polizisten hätten im Verfahren offenkundig gelogen; ein korrektes Verfahren sei nicht möglich gewesen. Der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil später wegen einer lückenhaften Begründung und nicht nachvollziehbarer Beweisführung. Seit Januar 2011 steht ein früherer Polizeiführer daher nun vor dem Magdeburger Landgericht.
Dieses Verfahren steht kurz vor dem Abschluss; am 19. Januar könnte ein Urteil fallen. Die »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh« und andere Gruppen, die für heute 13 Uhr zu einer Demonstration in Dessau sowie für Montag zu Protesten vor dem Gerichtsgebäude in Magdeburg laden, halten den Angeklagten allerdings für ein »Bauernopfer«. In einer Erklärung beklagten sie erneut, es sei »in Richtung Mord nie ermittelt« worden.
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