Occupy will Berliner Camp erhalten
Nach Fristablauf stellte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Strafantrag
Direkt hinterm Bretterzaun rollt ein kleiner gelber Bagger hin und her: Die Fläche direkt neben dem Camp der Berliner Occupy-Bewegung ist bereits für die Bauarbeiten des neuen Bundesministeriums eingeebnet, Bauarbeiter sind unterwegs, führen Vermessungsarbeiten durch. Am Eingang zum Camp grüßt ein mannshohes Schild: »Schön, dass du da bist, bleib doch für länger, wir haben noch freie Zelte!« In der Nähe des Hauptbahnhofes auf dem Gelände des ehemaligen Bundespressestrandes halten Aktivisten seit dem 9.November 2011 das Occupy-Camp aufrecht.
Freitagmittag Punkt zwölf Uhr endete die Frist der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), danach wollte die Anstalt Strafanzeige gegen Unbekannt erstatten und eine Räumung des Geländes durchsetzen. Am vergangenen Montag hatte die BImA die Aktivisten aufgefordert, das Areal bis zum 6.Januar. zu verlassen. Am Freitag gingen nun bei der Berliner Polizei ein Strafantrag sowie ein Räumungsbegehren ein. Die Anträge der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben würden zunächst rechtlich geprüft, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage. Wahrscheinlich müssen die Demonstranten kommende Woche mit einer Räumung rechnen. Ihnen drohen zudem Schadensersatzforderungen.
Etwa 15 Zelte sowie die Versorgungshütte standen am Freitag noch im »Camp der Empörten«. Dazwischen schlängeln sich Stromkabel durch den Sand, im Hintergrund rattert der Generator. Mit den mittlerweile bekannten Rufen »Mike check, Mike check« ruft Johannes die anwesenden Occupy-Aktivisten zur Pressekonferenz. »Wir wollen diesen idealen Ort nicht aufgeben«, bekräftigt er die Bereitschaft zum Protest gegenüber einer möglichen Räumung durch die Polizei. Man stehe seit Besetzung des Areals in Kontakt mit der BImA, es seien auch zwei Alternativorte angeboten worden, die jedoch in Größe und Topographie ungeeignet gewesen seien. »Das Camp hat mittlerweile enorme Symbolbedeutung«, so Aktivist Team. Auch wenn das Camp geräumt werden sollte, werde der Prozess weitergehen, sagt der junge Mann und betont, dass die Occupy-Bewegung sich maßgeblich durch ihren dezentralen Charakter auszeichnet. Auch wenn das Camp, in welches mittlerweile viel Arbeit investiert wurde, demnächst geräumt werden sollte - die Bewegung werde berlinweit überleben. »Occupy wird nicht verschwinden, nur weil das Camp verschwindet.«
Am 27.Dezember 2011 haben sich laut Johannes rund 70 Aktivisten einem drohenden Abriss der Versorgungshütte entgegen gestellt. Sollte es zu einer Räumung kommen, würden sich mehrere Dutzend Menschen »mit friedlichen Mitteln« widersetzen. »Wir sind eine gewaltfreie Bewegung«. Zudem habe man in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Sollte es einen richterlichen Räumungstitel geben, setze man daher nach wie vor auf die Gesprächsbereitschaft der beteiligten Parteien. Die BImA habe nach Auskunft der Aktivisten ausdrücklich betont, sie urteile damit »in keiner Weise über die Hintergründe und Ziele der Occupy-Bewegung«.
Im Camp übernachten nach Angaben der Bewegung auch bei den derzeitigen Temperaturen im Durchschnitt 15 Aktivisten. Tagsüber sind zwischen 15 und 30 Menschen im Camp, nehmen an den Arbeitsgruppen oder an den regelmäßig stattfindenden Asambleas teil. Zu den basisdemokratischen Versammlungen nach dem Vorbild der spanischen Jugendprotestbewegung kommen jeweils 40 - 100 Interessierte. »Das Camp ist auch ein Ort der Begegnung«, so die Aktivisten. Immer wieder sind Anhänger der Occupy-Bewegung aus anderen Ländern zu Gast im Camp, wie beispielsweise England oder Israel.
Für den 15. Januar ist die nächste größere Demonstration der Bewegung angekündigt. Sie soll auf dem Alexanderplatz starten und nach bisheriger Planung mit einer Abschlusskundgebung im Camp enden. Vor dem Hintergrund der Diskussion um Bundespräsident Christian Wulff ruft die Bewegung unter dem Motto »Wulff den Schuh zeigen« für diesen Samstag zu einer Demonstration vorm Schloss Bellevue auf.
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