Bundesumweltamt plädiert für Nachtflugverbot
Anwohner sehen darin einen Ansporn für den Kampf um ihre Ruhe
Die Anwohner des künftigen Hauptstadtflughafen in Schönefeld schöpfen neue Hoffnung für ein Nachtflugverbot. Hintergrund ist das mit Spannung erwartete Gutachten des Umweltbundesamtes, das morgen offiziell vorgestellt werden soll. Nach einem Bericht der »Märkischen Allgemeinen Zeitung« (MAZ) geht die Bundesbehörde von enormen Fluglärm aus und empfiehlt ein Verbot für Nachtflüge.
Das klare Plädoyer für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr sei hilfreich, teilte die Bürgerinitiative Kleinmachnow mit. »Für uns ist das Ansporn, mit einem Volksbegehren die zweite Stufe der Volksgesetzgebung einzuleiten«, sagte Sprecher Matthias Schubert.
Der Bürgerverein Brandenburg Berlin (BVBB) wertet die Stellungnahme des Bundesumweltamtes als »eine schwere Ohrfeige für die rücksichtslosen Nachtflugdurchsetzer in der EU sowie der Bundes- und Landespolitik«. Die Position der Fachbehörde dürfe nicht unbeachtet bleiben, forderte die Vereinsvorsitzende Astrid Bothe.
Der Sprecher der Bürgerinitiative »Stahnsdorf gegen Fluglärm«, Wolfgang Brenneis, meinte: Das Gutachten sei ein »Hoffnungsschimmer am Horizont, nicht mehr, aber auch nicht weniger.«
Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig waren Anwohner im vergangenen Oktober mit ihrer Forderung nach einem generellen Nachtflugverbot gescheitert. Die Richter hatten lediglich für die Zeit von Mitternacht bis 5 Uhr Ruhe verordnet. Zwischen 22 Uhr und Mitternacht sowie von 5 bis 6 Uhr dürfen dagegen bis zu 103 Maschinen auf dem Flughafen starten und landen.
Dagegen wehren sich Anwohner und Gemeinden weiterhin - juristisch, vor allem aber politisch. Eine Volksinitiative hatte der Landtag Mitte Dezember abgelehnt. Nun warten die Initiatoren auf die Veröffentlichung im Gesetzes- und Verordnungsblatt. Sobald dies geschehen ist, haben sie einen Monat Zeit, um sich zu entscheiden, ob die nächste Hürde genommen werden soll. Dabei müssten sie 80 000 Unterschriften sammeln, um einen Volksentscheid zu erzwingen.
Parallel wird weiter heftig über die Flugrouten gestritten. Auch dafür liefert das Gutachten des Umweltbundesamtes neuen Stoff: Laut Zeitung plädiert die Bundesbehörde dafür, die Flugrouten zunächst einem einjährigen Test zu unterziehen. In dieser Zeit sollte der Fluglärm gründlich überwacht und erst dann die Flugrouten endgültig festgelegt werden, meldet die MAZ.
Für einzelne Routen empfiehlt das Bundesamt wegen des starken Lärms angeblich aber schon jetzt erneut eine Änderung. Die Experten befürchten erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen. Als besonders problematisch werden Abflüge über den Müggelsee eingestuft. Dem Bericht zufolge wird darum eine Route über die Gosener Wiesen empfohlen.
Ein Vorschlag, der die dortige Bürgerinitiative empört. Das würde zu einer Verlärmung des Brandenburger Umlandes führen, meinte Sprecher André Organiska. »Berliner Gebiete sollen verschont werden.«
Auch Michael Lippoldt von der Bürgerinitiative Kleinmachnow zeigte sich in Sachen Flugrouten enttäuscht: »Das Ergebnis ist eher niederschmetternd. Wir hatten gehofft, es könnte mehr herauskommen«, sagte er. Die Behörde sei offensichtlich nicht mächtig genug, um die Hoffnung zu erfüllen, die die Region in sie gesetzt habe. Auch stößt auf Unverständnis, dass die Umweltbehörde das Überfliegen eines Vogelschutzgebiets gestatten wolle.
Das Gutachten bestätige einmal mehr, wie falsch die Entscheidung von Rot-Rot gewesen sei, sich einem konsequenten Nachtflugverbot zu verweigern, kommentierte der Landtagsabgeordnete Michael Jungclaus (Grüne).
Das Gutachten des Bundesumweltamts ist eine Stellungnahme zu den Absichten der Deutschen Flugsicherung. Die Flugsicherung will die endgültigen Flugrouten am 26. Januar bekanntgeben. Die Routen müssen von der Flugsicherung lediglich »im Benehmen« mit dem Umweltbundesamt vorgelegt werden.
Die Proteste gehen indes weiter. Für den 21. Januar ist eine große Demonstration in Berlin geplant. Zudem wollen sich Gegner der Flugroute über den Berliner Müggelsee heute um 19 Uhr auf dem Marktplatz von Berlin-Friedrichshagen zu ihrer ersten Kundgebung im neuen Jahr treffen.
Die Eröffnung des Flughafens am 3. Juni soll mit einem großen Fest gefeiert werden. Es soll nicht nur einen Festakt für geladene Gäste geben, versprach Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). »Es ist meine Intention, so vielen Berlinerinnen und Berlinern wie möglich vor der Eröffnung die Gelegenheit zu geben, den neuen internationalen Flughafen in Augenschein zu nehmen.«
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