Hoffnung für den Moorbläuling

Umweltministerin Anita Tack will das Artensterben stoppen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Hübsch anzusehen ist der Moorbläuling, allerdings auf Fotos. In der Natur ist er sehr selten geworden. Die Schmetterlingsart ist vom Aussterben bedroht, weil auch ihr Lebensraum, das Moor, in Gefahr schwebt. Hinzu kommt, dass der Moorbläuling zu den Verlierern des kommenden Klimawandels zählt. Für Brandenburg wird eine durchschnittliche Erwärmung um zwei bis drei Grad Celsius vorhergesagt. Zwar nehmen die Niederschläge demnach erst einmal nicht ab. Doch statt des üblichen Landregens, der versickert, soll es häufiger Unwetter geben. Das viele Wasser kann dann vom Boden nicht mehr aufgenommen werden. Es fließt schnell ab und ergießt sich schließlich über Elbe und Oder in die Nord- und Ostsee.

Wäre es zu verschmerzen, wenn der Moorbläuling ausstirbt? Niemand vermag genau abzuschätzen, ob das Verschwinden einer Art nur kleine oder große Auswirkungen auf das Ökosystem hat. Auch Umweltministerin Anita Tack (LINKE) weiß das nicht. Ihr ist jedoch bewusst: Je mehr Löcher im Gefüge auftreten, »desto eher wird es zu einem Ausfall existenzieller Gratisleistungen der Natur und zu Auswirkungen auf unser aller Wohlergehen kommen«. Deshalb sei ein möglichst umfassender Schutz der Artenvielfalt notwendig, notiert Tack im Vorwort der Broschüre »Biologische Vielfalt in Brandenburg«. Das Umweltministerium hat die von Roland Lehmann verfasste Schrift herausgegeben.

1,75 Millionen Arten sind erfasst und beschrieben. Es gibt auf der Erde allerdings erheblich mehr Arten. Die Schätzungen bewegen sich zwischen 20 und 200 Millionen. Genau kann es kein Wissenschaftler sagen, weil zum Beispiel die Tiefsee und die tropischen Wälder noch immer nicht vollständig erfasst sind. Von den Tieren und Pflanzen, die im Laufe von 3,5 Milliarden Jahren die Erde besiedelten, sind vielleicht 90 Prozent oder sogar 99 Prozent bereits ausgestorben. Das Kommen und Gehen ist durchaus normal, nicht aber die gegenwärtige Geschwindigkeit des Artensterbens, das mit der Industrialisierung vor etwa 150 Jahren einsetzte. Weltweit verschwinden jedes Jahr zwischen 10 000 und 25 000 Arten. Prognosen warnen, dass nur die Hälfte aller heute vorhandenen Spezies das Ende des Jahrhunderts erleben könnten.

Während in den uralten Regenwäldern der Insel Borneo etwa 700 Baumarten wachsen, kommen in Europa nur rund 100 heimische Baumarten vor. In Mitteleuropa, wo bis vor 12 000 Jahren noch die letzte Eiszeit herrschte, ist der Artenreichtum insgesamt nicht besonders groß. Brandenburg mit seiner abwechslungsreichen Landschaft, mit Urstromtälern, Rotbuchenwäldern und Sandtrockenheide, mit natürlichen Flussauen und Klarwasserseen, mit Binnendünen, Salzstellen, und Kalkmooren bietet aber erstaunlichen 6000 Tier- und Pflanzenarten eine Heimat. Die Hälfte von ihnen ist allerdings in Gefahr, jede zehnte Art ist sogar akut vom Aussterben bedroht. Umweltministerin Tack will unbedingt gegensteuern. Am Anfang ihrer Überlegungen steht eine ungewöhnlich ehrliche Bilanz. Bis 2010 sollte das weltweite Artensterben eigentlich eingedämmt sein. Die Europäische Union hatte sogar ein noch ehrgeizigeres Ziel ausgegeben. Ihre Mitgliedsstaaten sollten das Artensterben stoppen. Daraus wurde nichts - nirgendwo, auch nicht in Brandenburg. Die Ziele seien zu hoch gesteckt, die bis zum Jahr 2010 unternommenen Anstrengungen zu gering gewesen, bedauert die Umweltministerin, die seit November 2009 im Amt ist.

Nun soll alles besser gemacht werden. Im Laufe des Jahres wird ein Maßnahmeprogramm erarbeitet. Verheißungen hat es allerdings in der Vergangenheit schon viele gegeben. Ankündigungspolitik sind eine Spezialität der früheren brandenburgischen Kabinette unter Manfred Stolpe und Matthias Platzeck (beide SPD) gewesen. Später wurde selten nachgefragt, was aus den Versprechungen geworden ist. Darauf durften sich die Minister in der Regel verlassen. Anita Tack möchte das aber nicht. Sie meint es ernst, beteuert sie. Tack mag sich zwar nicht dafür verbürgen, dass sie das Artensterben wirklich aufhalten kann. Das wäre auch zu kühn. Sie versichert dem »nd« jedoch eindringlich, dass alles versucht werde. »Wir müssen die Lebensräume schützen.«

Brandenburg verfügt über einen Nationalpark und 14 Biosphärenreservate und Naturparks. Mit Reservaten allein ist es aber nicht getan. Bestimmte Arten brauchen auch gar keine Wildnis, sondern eine Kulturlandschaft. So lebt die gefährdete Rotbauchunke zumeist in Bauerngärten und an kleinen Teichen auf Feldern. Außerdem sind 120 Sippen von Ackerwildkräutern gefährdet. Auf alten Truppenübungsplätzen tummeln sich Heidelerche und Wiedehopf, geflutete Tagebaue dienen Zugvögeln als Rastplatz.

Im neuen Jahr beginnt schon einmal die Renaturierung des Quellmoors Besenberg in der Uckermark. Das Umweltministerium spendiert dafür 560 000 Euro. Für den Moorbläuling besteht also Hoffnung.

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