Wulff am Wannsee

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(epd). Erstmals seit 20 Jahren soll das Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin wieder Besuch von einem Bundespräsidenten bekommen. Zum 70. Jahrestag der Konferenz, die als entscheidende Wegmarke für die planmäßige Ermordung der Juden durch die Nazis gilt, wolle Christian Wulff am 20. Januar eine Ansprache an dem historischen Ort halten, teilte die Gedenkstätte am Montag mit. Zudem sind am Vorabend eine Gedenkveranstaltung sowie ein Historikerkongress und die Aufführung eines Dokumentartheaterstücks geplant.

Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte dort 1992 die erste Dauerausstellung eröffnet. In der Wannsee-Villa besprachen 1942 NS-Spitzenbeamte unter Vorsitz von Reinhard Heydrich, dem damaligen Chef des »Reichssicherheitshauptamtes«, die organisatorischen Details des Völkermords an den Juden Europas. Erste Pläne zur Errichtung einer Gedenkstätte in dem »Haus der Endlösung« stießen ab den 60er Jahren auf jahrelangen Widerstand bei Behörden und in der Öffentlichkeit.

Außer Bundespräsident Christian Wulff wird in der Berliner Gedenkstätte am 20. Januar auch der 1941 geborene, israelische Minister Yossi Peled erwartet. Da Wulff trotz der derzeit an ihn gerichteten Kritik einen Rücktritt ausgeschlossen habe, rechne er auch mit dem Besuch und der Ansprache des Bundespräsidenten, sagte Gedenkstättenleiter Kampe am Montag in Berlin.

Bei der Veranstaltung am Vorabend des 70. Jahrestages in der Berliner Akademie der Künste werde der ungarische Schriftsteller György Konrad die Gedenkansprache halten, kündigte das Haus der Wannsee-Konferenz an. Der 1933 als Sohn einer jüdischen Familie in Ungarn geborene Konrad überlebte den Holocaust in einem Budapester Versteck. Zwischen 1978 und 1988 hatte er im kommunistischen Ungarn Publikationsverbot und zog später nach Berlin. Ab 1997 war er für sechs Jahre Präsident der Berliner Akademie der Künste. Seine Ansprache steht unter dem Motto »Vor Wort zur Tat - Das Schicksal meiner Kleinstadt im Zweiten Weltkrieg«.

Die Premiere des in Zusammenarbeit mit dem Haus der Wannsee-Konferenz entstandenen Theaterstücks ist für den 22. Januar vorgesehen. Für die Produktion haben sich 15 Historiker mit jeweils einem der damaligen Konferenzteilnehmer intensiv beschäftigt. Für das Stück »Die Wannsee-Konferenz« sind bislang fünf Aufführungen geplant.

Die Historikerkonferenz am 20./21. Januar soll den neuen Forschungsstand zu dem Thema bündeln. Dazu werden namhafte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland erwartet. Wie die Gedenkstätte weiter mitteilte, wurde das Haus seit seiner Eröffnung vor 20 Jahren von über 1,4 Millionen Menschen besucht, 65 Prozent stammten aus dem Ausland.

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