Sozialist meutert und heuert bei Piraten an

Teltows Stadtverordneter Wolfgang Köhn begründet Wechsel mit dem Problem der Altanschließer

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Kein Kuddelmuddel mehr in Teltows Stadtverordnetenversammlung! Dort tummelten sich zwischenzeitlich zwei rot-grüne Fraktionen, weil man sich wegen persönlicher Differenzen getrennt hatte. Der Stadtverordnete Wolfgang Köhn wechselt nun von der Linkspartei zur Piratenpartei. Damit ist die kleinere rot-grüne Fraktion mit nur je einem Sozialisten und einem Grünen Geschichte.

Es bleibt die andere rot-grüne Fraktion mit vier Sozialisten und dem Grünen Axel Szilleweit. Der Ökolandwirt Szilleweit ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, weil er die berühmten Teltower Rübchen anbaut - und er ist nach dem angewendeten Rotationsverfahren derzeit Vorsitzender der Fraktion LINKE/Grüne.

Bestimmt hätte es den Wechsel von Köhn zu den Piraten nicht gegeben, wenn sich die alte Fraktion nicht im Streit gespalten hätte. Der Chef einer GmbH, die mit Solarzellen handelt, nennt allerdings einen anderen Grund: das mangelhafte Engagement der Linkspartei gegen Altanschließerbeiträge. Wolfgang Köhn ist selbst betroffen. Es schwebt ein Verfahren, das er durchkämpfen will, um seine Nachbarn nicht zu enttäuschen. Köhn könnte den verlangten Beitrag von knapp 2000 Euro zwar überweisen. »Es würde mir wehtun, aber ich könnte es tun«, versichert er. Doch als Kommunalpolitiker sei es auch seine Aufgabe, für die Bürger einzustehen. Sein Rechtsanwalt sehe gute Chancen, den Prozess zu gewinnen, betont Köhn.

Der Energieanlagenplaner wohnt in Teltow-Seehof in einem Haus, das er samt des 660 Quadratmeter großen Grundstücks erbte. Das 1937 errichtete Gebäude hatte sein Großvater 1940 erworben. Jetzt fordert der Wasser- und Abwasserzweckverband der Teltow (WAZV) von ihm die knapp 2000 Euro. Dabei fand Köhn in alten Unterlagen den Hinweis, das Geld für die Abwasserleitung sei mit dem Kauf des neu gebauten Hauses zu entrichten. Es handelte sich um 550 Reichsmark, und die Rechnung sei damals beglichen worden, erzählt Köhn. Sogar für unbebaut gekaufte Grundstücke in Teltow-Seehof sei die Abwasserleitung seinerzeit schon bezahlt worden, womit nach der Logik alle Bewohner des Stadtteils aus dem Schneider sein müssten. Doch um Logik geht es bei den Altanschließerbeiträgen nicht. Zahlen soll jeder, der bereits vor dem 3. Oktober 1990 an eine Trinkwasserleitung beziehungsweise an die Kanalisation angeschlossen wurde.

Der WAZV sei nicht verschuldet, berichtet Köhn. Deshalb fragt er sich, wozu der Verband das Geld überhaupt brauche. Der Stadtverordnete verlangt Transparenz - und weil dies ein Anliegen der Piraten sei, wechsele er zu ihnen. Die LINKE habe ihn enttäuscht, vergeblich habe er mit Landtagsabgeordneten gesprochen, die aber die Koalition mit der SPD wegen der Altanschließer nicht gefährden wollten.

Die LINKE sei auch für Transparenz, erklärt der Stadtverordnete und frühere Linksfraktionschef Steffen Heller. Die LINKE habe 2009 eine Verjährungsfrist gewollt, die alle Altanschließer von Beiträgen freigestellt hätte. Damals konnten sich die Sozialisten aber nicht gegen SPD und CDU durchsetzen. Dass die LINKE jetzt nicht die rot-rote Landesregierung gefährden wolle, sei richtig, weiß Heller. Er atmet auf, dass es nun keine Verwirrung mehr mit zwei rot-grünen Stadtfraktionen gibt. Köhn habe sich früher schon mit den Grünen überworfen, erinnert Heller. Er vermutet, bei den Piraten werde es wahrscheinlich wieder Zoff geben.

Dem LINKE-Stadtvorsitzenden Reinhard Frank liegt indes noch keine Austrittserklärung vor. Wenn Köhn Anstand hätte, würde er sein Mandat zurückgeben, denn schließlich sei er nicht als Pirat gewählt worden, findet Frank.

Köhn möchte jedoch im Stadtparlament bleiben. Sonst könne er den Altanschließern ja dort nicht mehr helfen, sagt er. Davon abgesehen würde Köhn gern mit den alten Fraktionskollegen zusammenarbeiten. Köhn träumt sogar davon, dass es wieder eine gemeinsame Fraktion gibt. Die würde dann LINKE/Grüne/Piraten heißen.

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