Keine Zeit für schlechte Laune
Manfred Bitterlich stattet die Kriminaltheaterbühne in Friedrichshain aus
Die Bühne hat zudem nur geringes »Hinterland«. Da muss man kreativ arbeiten. Was wir vom Zuschauerraum von vorn sehen, entsteht im Modell bei Bitterlich von oben. Er hat vor Augen, wie sich die Schauspieler hinter der Bühne bewegen, wenn sie zur einen Tür hineingehen, zur nächsten nach vorn wieder herauskommen. Treppen, Kellereingang, Fenster - der Chef-Regisseur und künstlerische Leiter Wolfgang Rumpf fordert, was er für das Stück braucht. Für »Arsen und Spitzenhäubchen« eben ein Fenster, durch das man eine »Leiche« schieben kann.
Die Textfassung für die Inszenierung liest der Ausstatter natürlich. »Das Rumpfsche Substrat«, nennt er sie. Ist das Modell fürs Bühnenbild fertig und die Diskussion darüber abgeschlossen, beginnt die Suche nach dem Inventar. Bitterlich nutzt dafür viele alte Kontakte. Aber so manches Teil sucht und findet er im Secondhand-Handel. »Das andere wird bei uns gebaut. Alles stilecht zu machen, kann sich keiner leisten. Aber aussehen muss es so.«
Für 18 Inszenierungen des Kriminaltheaters schuf er die Ausstattungen. Etliche Bühnenbildmodelle lagern an seinem Arbeitsplatz. Bei einem Auftrag an der Dresdner Staatsoperette hat ihn eine Erkältung überfallen. »Ich bin so verschnupft. Es ist bitterlich.« Nun ist er kaum zu sehen - Brille, Bart, dicker Schal. Dahinter guckt er vergnügt hervor. Er lacht gern, fühlt sich eben wohl an diesem Ort. 2007 wurde er Ehrenmitglied des Kriminaltheaters. Seine Arbeit ist hier hoch geschätzt. Hört man immer wieder.
Bitterlich ist längst Rentner. Er müsste nicht mehr ackern. Doch wie gesagt, da ist die Sache mit der drohenden schlechten Laune. Natürlich bringt Arbeit auch Querelen. Sachbezogen, versteht sich. Manchmal ist er auch mit sich selbst nicht zufrieden. Für das Stück »Der Name der Rose« war als räumliche Metapher das große Buch schon fertig. Davor wurde zeitweise ein Kreuz gebraucht. Damit sei es wahrlich ein Kreuz gewesen, erzählt der Ausstatter. Es rumorte und rumorte im Kopf, bis endlich die Idee kam, die Sache übers Licht zu lösen. Dann war's gut. Doch manches schmort weiter. Beim »Hund von Baskerville« klappt das Wappen über der Bühne ab, wenn das Ungeheuer an die Terrassentür haut. Der Ruf des Adelssitzes ist auch angeschlagen, will Bitterlich damit sagen. Aber bis heute sieht es aus wie 'ne Panne. »An der Stelle müsste mal ein Schauspieler etwas sagen? Oh! Oder so.«
Die Figurinen für die Kostüme entstehen ebenfalls an Bitterlichs Tisch. Nicht immer wollen die Schauspieler anziehen, was er sich denkt. Sie wollen sich wohlfühlen in der Kleidung, in der sie spielen, klar. Bitterlich verbrachte die meiste Zeit seines Arbeitslebens im Berliner Metropoltheater. Er sagt, die Operette bediene die Eitelkeit vom Genre her. Beim Schauspiel sei das anders. Also muss man sich auseinandersetzen, findet auch mit Tricks der Ankleiderin Regina Petschelt Auswege. Das Bild muss jedenfalls am Ende stimmen. Dass Manfred Bitterlich Theatermaler lernte, bevor er an der Fachschule für Angewandte Kunst in Magdeburg studierte, kommt der Bühne zugute. Er packt mit an. Sein Diplom für Bühnen- und Kostümbild absolvierte er im Fernstudium an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste. Man lernte sein Können auch an Bühnen in Leipzig, Meiningen, Bremen, Flensburg, St. Petersburg, Addis Abeba und Malmö zu schätzen.
Das Kriminaltheater ist mit seinen Inszenierungen viel auf Tournee. Die Ausstattung muss immer mit. Nach über 1000 Vorstellungen falle das Bühnenbild für »Die Mausefalle« bald auseinander. Bitterlich schafft jetzt eine neue, die exakt der alten gleichen muss. Im Frühjahr beginnt das Nachdenken über »Die Todesfalle« nach dem Roman von Ira Levin. Grübelfutter für den Kopf. Am Broadway wurde das Stück zu einem der größten Bühnenerfolge. Friedrichshain hat es im Herbst.
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