»Es war einmal ...«

Gevatter Tod in der Märchenhütte

  • Lesedauer: 3 Min.

Liegt es an der heimeligen alten Holzbude mit ihrem bollernden Ofen oder an der Spielfreude der Darsteller? Vermutlich ist es die Kombination von beidem, die auch im sechsten Winter allabendlich erwachsene Menschen in die Märchenhütte im Monbijoupark zieht. Dicht gedrängt sitzen sie dort und verfolgen amüsiert oder gebannt die beliebten Märcheninszenierungen des Hexenkessel Hoftheaters. Als neuesten Streich schickt Regisseur Jan Zimmermann »Gevatter Tod« auf die Bühne.

Aber keine Angst, auch das mittlerweile 23. »Grimmi«, wie die Truppe ihre Interpretationen der Grimm’schen Hausmärchen nennt, ist keineswegs todernst umgesetzt, sondern baut auf Ironie bis hin zur Albernheit - und trifft damit den Nerv des Mitte-Publikums und der Touristen, die die Märchenhütte bis auf den letzten Platz bevölkern. Den Gevatter Tod spielt Matthias Horn mit nonchalantem Charme. In weißen Jeans, Sakko und schwarzem Hemd, mit kalkig geschminktem Gesicht und dunklen Lippen schlendert er lässig heran und lässt sich von Michael Golab, der die Doppelrolle Vater und Sohn übernommen hat, die Patenschaft für das 13. Kind aufs Auge drücken. Gemeinsam erzählen die beiden Darsteller, wie der Pate dem herangewachsenen Sohn ein Kraut zeigt, mit dem er jeden Kranken heilen kann - nur dann nicht, wenn der Tod am Fußende steht. Mit diesem Vorteil ausgestattet, wird der junge Mann ein berühmter Arzt. Doch dann erkrankt eines Tages erst der König, dann dessen schöne Tochter, und der junge Mann will seinen Paten kurzerhand austricksen. Doch da lässt der Sensenmann nicht mit sich spaßen.

Jeweils zwei knapp halbstündige Märchen zeigt die Hexenkessel-Truppe pro Vorstellung; bis zu acht solcher Blöcke stehen pro Tag auf dem Programm, das oft schon um 10 Uhr vormittags mit den Stücken für Kinder beginnt und am Wochenende mit den letzten Erwachsenen-Märchen erst um Mitternacht endet. Der Erfolg des renommierten kleinen Theaters mit seinen »Grimmis« ist beachtlich: Zwei Spielstätten ragen mittlerweile auf dem Bunkerdach gegenüber dem Bodemuseum auf, dazwischen eine Mini-Pizzeria; eine Dependance steht in Frankfurt am Main.

Große wie kleine Zuhörer lieben die romantischen alten Holzhäuser, die Regisseur und Chef Jan Zimmermann aus Polen herangekarrt hat und wo man bei Kaffee und Kuchen oder Glühwein und Schmalzstullen so schön zuhören kann. Und sie lieben die freche Art, mit der die Darsteller-Duos die Märchen vortragen - ironisch, bisweilen nervig-infantil, doch nie respektlos den alten Sagen gegenüber. Mit derselben Spielfreude und dem Tempo, das die sommerlichen Freiluft-Komödien des Ensembles auszeichnet, witschen die Darsteller durch die alten Märchen. Da wird zum Beispiel in »Rapunzel« in wenigen Szenen und Worten die ganze Entwicklung einer Ehe gezeigt, von der ersten Leidenschaft über den Kinderwunsch bis zum tiefen Frust. »Weil Du so Hammer bis«, rappt sich das Paar erst keck, dann traurig an. Nur nicht alles so ernst nehmen, lautet das Motto der Inszenierungen, die auf technische Finessen verzichten: Ein umzustülpender Rock und eine Maske ersetzen den Kostümwechsel.

Wieder 25.-28./31.1., 20 Uhr, am 27./28.1. auch 21 Uhr; Monbijoupark, Bunkerdach, Mitte, Infos unter www.maerchenhütte.de

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