- Brandenburg
- Brandenburg
»Schwere moralische Schuld«
Landtag bewertet die Abgeordneten mit Stasi-Kontakten
Mit deutlicher Mehrheit nahm der Landtag gestern einen Antrag von Abgeordneten aus SPD, LINKE und CDU zum Bericht der Stasi-Kommission an. »Schwere moralische Schuld« hat der auf sich geladen, der massiv Vertrauen missbraucht und durch gezieltes Beschaffen und Weitergeben von Informationen Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder in schwierigste Situationen gebracht habe, heißt es in dem Antrag, der auf eine Initiative des CDU-Abgeordneten Dieter Dombrowski zurückgeht. Drei Abgeordnete der FDP stimmten dagegen, die übrigen vier Liberalen sowie die Grünen enthielten sich der Stimme.
Der Antrag »Ehrlichkeit zeigen, Verantwortung übernehmen, Vertrauen stärken« erwähnt eingangs ausdrücklich, dass es in der Sache schon einmal, 1994, einen Beschluss in dieser Sache gab. Während damals gemahnt wurde, Bagatellen auch als solche zu behandeln, ist aktuell mehr von Schuld und Verantwortung die Rede.
Auf der moralischen Ebene verharrend, nannte es die Kommissionsvorsitzende Ulrike Poppe verwerflich, »den Repressionsapparat überhaupt unterstützt zu haben«. Sie erwähnte: »Die Kommission war kein Gericht.« Und sie räumte ein, dass es seitens der betroffenen Abgeordneten teilweise Abwehr gegeben habe und den Vorwurf, der Bericht stelle die Dinge unzutreffend dar.
Linksfraktionsvize Stefan Ludwig sprach von einem gigantischen Ausmaß, das die Überwachung der DDR-Bürger angenommen hatte. Dafür habe seine Partei die Verantwortung übernommen, Verharmlosung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) verbiete sich. Ludwig bekannte sich zu der Aufgabe, in der DDR Benachteiligten und »um ihre Lebenschancen Gebrachten« praktische Genugtuung zu gewähren und Wiedergutmachung zu leisten.
Von einer schweren moralischen Schuld »der armen Seelen, die heute hier so belastet dastehen«, sprach der CDU-Abgeordnete Dombrowski. Er meinte diejenigen Abgeordneten, die sich einst entschlossen hatten, als DDR-Bürger mit dem Geheimdienst ihres Vaterlands zusammenzuarbeiten. Wer das tat, sollte nicht in der Politik sein, meinte Dombrowski. Er warf dem Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) erneut vor, einen Koalitionsvertrag »mit zwei ehemaligen Mitarbeitern der Staatssicherheit« unterzeichnet zu haben. Aber: »Das Leben geht weiter.« Er wünsche sich eine Debatte über die MfS-Opfer hinaus, denn es gebe Zehntausende oder Hunderttausende SED-Opfer.
»Wir fordern kein Stasi-freies Parlament«, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Ein Ergebnis der Kommission sei, dass ein Generalverdacht gegen LINKE unbegründet wäre, und es wäre auch unbillig, über alle »den Stab zu brechen«, die einst MfS-Kontakte unterhielten. Dass die Grünen sich der Stimme enthielten, begründete Vogel damit, dass es dieses »Wortgeklingels« nicht bedürfe. Für die FDP sagte Linda Teuteberg, eine Zustimmung hätte eine Missachtung der monatelangen Arbeit der Kommission dargestellt.
Mehrere Abgeordnete der LINKEN wurden in Kenntnis ihrer Stasi-Kontakte gewählt, hob SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher hervor. »Der Wähler hat die Entscheidung getroffen.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.