Fluchtläufer im Rennen

A 100: Bürgerinitiative hält geplante Baufeldfreimachung für widerrechtlich

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Bereits geräumt: Ehemalige Kleingärten sollen demnächst planiert werden.
Bereits geräumt: Ehemalige Kleingärten sollen demnächst planiert werden.

Sollte am Ende der Fluchtläufer das Rennen machen? Dieser Käfer, wissenschaftlich Dolichus halensis genannt, wurde von Aktivisten der Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) in Neuköllner Kleingartenanlagen gefunden. Die BISS tritt vehement gegen die Weiterführung der A 100 von Neukölln nach Treptow ein. An-drea Gerbode, neben ihrem Engagement bei der Initiative auch Fraktionsvorsitzende der Grünen in Treptow-Köpenick, sagt, dass dieser Käfer in Berlin als ausgestorben galt. Für sie ein weiterer guter Grund gegen der Weiterbau.

Andrea Gerbode hat nicht alleine zum Pressegespräch vor die betroffenen Kleingärten geladen. Auch Jutta Mattuschek (LINKE) und Harald Moritz (Grüne) aus dem Berliner Abgeordnetenhaus sind gekommen. Auslöser der aktuellen Aktivitäten ist eine am 10. Februar endende Ausschreibung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Sie möchte für rund 1,3 Millionen Euro eine Baufeldfreimachung vergeben. 12,3 Hektar bereits 2010 gekündigte Kleingärten sollen planiert werden. »Allein 600 Bäume sollen gefällt werden«, sagt Moritz.

Die BISS wirft der Senatsverwaltung dabei Verstöße gegen ihren eigenen Planfeststellungsbeschluss vor. »Nach erfolgter Ausschreibung müsste man mit Brachialgewalt vorgehen«, sagt Moritz. Der Grund: Baumfällungen sind nach dem Berliner Naturschutzgesetz in der Zeit zwischen 1. März und 30. September verboten, um brütende Vögel zu schützen. Auch Schutzmaßnahmen für Amphibien wurden nach Überzeugung der Aktivisten nur sehr schlampig durchgeführt: »Unseres Erachtens sind die beauftragten Experten einfach durchgelaufen und haben Frösche, die am Wege lagen, irgendwohin anders gesetzt«, sagt Gerbode. Auch das vor der Baumaßnahme anzulegende neue Amphibienlaichgewässer gebe es noch nicht, weswegen keinesfalls mit der Beräumung angefangen werden dürfe. »Eigentlich hatte sich die Senatsverwaltung selbst auferlegt, dass erst kurz vor Baubeginn freigeräumt werden darf«, sagt Moritz. Damit sei allein schon wegen anhängiger Klagen nicht zu rechnen. »Im Bundeshaushalt 2012 ist kein Pfennig für den Bau der A 100 eingestellt«, sagt Jutta Mattuschek. Dadurch gehe Berlin ein finanzielles Risiko ein. Es bestehe eine »hohe Chance, dass sich wieder Lebewesen ansiedeln«.

Die Senatsverwaltung sagte gegenüber »nd«, sie werde sich an die entsprechenden Naturschutzbestimmungen halten. Also Baumfällung vor März und in der Amphibienwanderphase eine nochmalige Absammlung durchführen. Vögel beispielsweise sollen in den Treptower Park umgesetzt werden, zudem sei ein Amphibienschutzzaun gezogen worden. »Solche haltlosen Vorwürfe machen die Sache der BISS nicht glaubwürdiger.« Wenn die BISS Vorwürfe habe, solle sie konkret sagen, wo was gefunden wurde, dann könne man sich das ansehen.

Ein weiteres Problem ist nach Ansicht der BISS die Nutzung des Geländes als wilde Müllkippe. »Alte Kühlschränke, giftige Abfälle wie Lacke, es wurde schon alles mögliche hier einfach abgekippt«, sagt Moritz. »Wenn Sie das bei sich im Garten hätten, wäre schon längst die Polizei da.« Eine Klage deswegen sei allerdings gescheitert.

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