Die soziale Frage

Thilo Sarrazin und das Versagen der SPD

  • Thomas Wagner
  • Lesedauer: ca. 6.0 Min.

In der Auseinandersetzung mit Thilo Sarrazin blieb dessen Angriff auf den Sozialstaat gegenüber der Islamkritik und dem Integrationsthema bislang eher unterbelichtet. In seinem Beitrag geht der Soziologe Thomas Wagner der Frage nach, woran das liegen könnte. Handelt es sich um ein Manöver, das vom sozialpolitischen Versagen der SPD ablenken soll? Wagner sieht das so: Weil diese Partei nicht mehr die Interessen der abhängig Beschäftigten vertritt und unter maßgeblicher Beteiligung Sarrazins selbst neoliberale Denkmuster übernommen hat, trifft die Demontage der sozialen Sicherungssysteme auf so wenig Widerstand.

Der Autor hat gemeinsam mit dem Psychologen Michael Zander gerade eine Bilanz der Sarrazin-Debatte publiziert: »Sarrazin, die SPD und die Neue Rechte«. Berlin, Spotless 2011, 9,90 €.
Der Autor hat gemeinsam mit dem Psychologen Michael Zander gerade eine Bilanz der Sarrazin-Debatte publiziert: »Sarrazin, die SPD und die Neue Rechte«. Berlin, Spotless 2011, 9,90 €.
Im Vorwort zur vor Kurzem erschienenen Paperback-Ausgabe von »Deutschland schafft sich ab« beklagt sich Thilo Sarrazin über die Engführung der Auseinandersetzung mit seinem Buch auf die darin enthaltene Islamkritik und das Integrationsthema. Seine weitreichenden Thesen zum Sozialstaat seien dagegen verdrängt worden. Zustimmend zitiert er den Publizisten Stefan Weidner, der genau dies in einem Beitrag für »Psychologie Heute« im April 2011 als großes Versäumnis der Sarrazin-Debatte dargestellt hatte: »Das eigentliche heiße Eisen, die von Sarrazin etwa geforderte weitgehende Abschaffung von Hartz IV und Sozialhilfe, wird nicht angepackt.« Da hat Weidner zweifellos recht.

Zwar erklärte Sigmar Gabriel in einem umfangreichen »Zeit«-Arti-kel vom 16. September 2010, dass Sarrazin nicht mehr auf dem Boden sozialdemokratischer Grundüberzeugungen stehe. Doch ging es schon hier in erster Linie um die eugenischen Vorschläge des ehemaligen Berlin...


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