Schönberg im Boxring
Der Klavierkabarettist Bodo Wartke
Wie bindet man eine Krawatte? Wie rettet man sich vor Viagra-Spam-Mails? Was tun, wenn die Freundin von einem Anderen schwanger ist? All das sind Probleme, die Bodo Wartke früher nicht hatte. Der singende und klavierspielende Kabarettist stellt seine ganz persönlichen Sorgen in den Mittelpunkt des neuen Programms »Klaviersdelikte«. Am Samstag fand die Premiere in den Wühlmäusen statt.
Den größten Posten im Problemreservoir machen die Komplikationen im zwischenmenschlichen Miteinander aus. Ein Beispiel bietet Wartkes Miniatur-Drama, das auf einer Parkbank unter einer Birke stattfindet: Die Frau gesteht ihre Liebe; ihrem Begleiter kommen die Tränen - jedoch nicht aus Rührung, sondern wegen einer Pollenallergie.
Zweideutiger ist der Song über die Tanzlehrerin Konstanze aus Konstanz, die eine Konstante in Bodo Wartkes Leben wurde. Da seine Liebeslieder auch mal unter die Gürtellinie rutschen, experimentiert der Kabarettist mit verschiedenen Textversionen gemäß unterschiedlicher Altersfreigaben.
»Klavierkabarett in Reimkultur« nennt Bodo Wartke seine Art der Unterhaltung: mitreißend groovende Songs mit witzigen Reimen, zu denen er sich selbst am Klavier begleitet. Die skurrilen Verse unterlegt er pianistisch gekonnt mit Rock ’n’ Roll, Boogie-Woogie oder gepfeffertem Funk, mit Blues oder einer melodiösen Ballade. Auch eine Mozart-Sonate wird da schon mal mit Blue notes und Synkopen gewürzt.
Der 34-Jährige wuchs in Bad Schwartau auf, kam zum Musikstudium nach Berlin und lebt heute in Kreuzberg. Berlin ist ihm immer wieder eine Inspirationsquelle. In der Marmeladenstadt wären ihm wohl kaum die Seitenhiebe gegen Hundehalter oder Reime über das ausschweifende Leben in einer Herren-WG eingefallen.
Seit 1998 Bodo Wartkes erstes Album »Ich denke, also sing’ ich« erschien, hat der Kabarettist wohl alles abgeräumt, was an Kleinkunstpreisen zu holen ist. Eine enthusiastische Fangemeinde stürmt seine Auftritte; auch die anstehenden Vorstellungen in den Wühlmäusen sind bereits ausverkauft. Aber man kann das Programm »Klaviersdelikte« auch auf dem neuen Studioalbum kennen lernen.
Zu hintergründigem, schwarz-humorigem Sarkasmus, wie man ihn etwa von seinem erklärten Vorbild Georg Kreisler kennt, greift Bodo Wartke nur selten. Doppelbödig ist aber etwa seine Vision einer reklamefreien Welt, »Das Schweigen der Spammer«.
Aber vor allem gelten die eher harmlosen kuriosen Reime als Markenzeichen Wartkes. So seufzt der erwähnte Pollenallergiker: »Für mich wär jetzt Regen echt ein regelrechter Segen.« Solcherlei Sprachakrobatik ist zweifellos einfallsreich und originell, doch nutzt sich der Effekt nach einer Weile ab, da sich der Witz meist aufs bloße Wortspiel beschränkt.
Dennoch langweilt man sich keinen Moment, denn Bodo Wartke ist ein äußerst vielseitiger Alleinunterhalter, eine wahre Rampensau. Das Publikum johlt, wenn er mit Boxhandschuhen auf die Tastatur hämmert, um in die Riege der ernstzunehmenden atonalen Komponisten aufzusteigen. Er rappt, tanzt Cha Cha Cha und zupft eine Spielzeuggitarre im Rahmen seiner Fortsetzungsserie »Bodo Wartke spielt Instrumente, die er nicht beherrscht«.
CD: Bodo Wartke »Klaviersdelikte« (Reimkultur)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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