Aggressiv und gewaltbereit

Über die wachsende Gefahr durch Berliner Neonazis klärt Felix Hansen vom Apabiz auf

  • Lesedauer: 3 Min.
Gegen die Bedrohung, die von Berliner Rechtsextremisten ausgeht, richtet sich am 31. Januar die Veranstaltung »Es brennt! Wer stoppt Neonazis in Berlin?«. Über die rechte Gewalt sprach mit Felix Hansen vom Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz) Martin Kröger.

nd: Täuscht der Eindruck oder ist die rechtsextreme Szene Berlins in den vergangenen Jahren deutlich gewaltbereiter geworden?
Hansen: Die Berliner Neonazi-Szene war schon immer geprägt von aggressiven Aktionen gegenüber GegnerInnen. In den letzten Jahren haben sich aber die Aktionsebenen verschoben: Die Neonazis agieren geplanter als früher, suchen sich Angriffsziele - auch in Bezirken, die vorher nicht zu ihrem Aktionsgebiet gehörten.

Welche Rolle spielt die Homepage »Nationaler Widerstand Berlin« (NW-Berlin) hierfür?
Unter dem Label »NW-Berlin« versammeln sich große Teile der aktivistischen, gewaltbereiten Berliner Neonazi-Szene. Die Homepage »NW-Berlin« ist ihre Plattform im Internet. Hier wird für Aufmärsche geworben, Kampagnen und Aktionen werden vorgestellt. Auch werden hier GegnerInnen geoutet und bedroht. Zudem gibt es auch ideologische Texte.

Die »Gegnerlisten« auf »NW-Berlin« werden derzeit heftig kritisiert. Doch Innensenator Frank Henkel (CDU) zeigt sich außerstande, gegen die auf einem US-Server gehostete Seite vorzugehen. Welche Erkenntnisse gibt es über die Hintermänner der Seite?
Der Berliner Sebastian Schmidtke zeichnete in der Vergangenheit mehrfach presserechtlich verantwortlich für Propagandamaterial des »NW Berlin« und hat sich selber als Mitglied des Personenkreises bezeichnet. Schmidtke ist auch Landesvize der Berliner NPD.

Ist der »NW Berlin« so etwas wie ein Ableger der NPD oder wie lässt sich diese Struktur einordnen?
In der Tat steckt hinter dem »NW Berlin« eine feste Struktur - auch wenn es sich nicht um eine klassische Gruppe oder Kameradschaft handelt. Der Name suggeriert einen größeren »Dachverband«, doch dürfte der Kreis von Leuten, die strukturell und sozial miteinander verbunden sind, eher überschaubar sein.

Sebastian Schmidtke will NPD-Landeschef werden. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Im Gegensatz zum bisherigen NPD-Landeschef Uwe Meenen ist Schmidtke eine Integrationsfigur für die Berliner Neonazi-Szene: Er organisiert seit Jahren Aufmärsche in Berlin und ist bekanntester Exponent des aktivistischen Spektrums. Zugleich ist er aber auch in der NPD aktiv. Die NPD ist in Berlin schon immer strukturell schwach und anders als in anderen Landesverbänden gibt es keine Konflikte zwischen einem moderaten und einem NS-orientierten Flügel, weil die moderaten Kräfte einfach keine Rolle mehr spielen.

Wie sollen die Neonazis in Berlin gestoppt werden?
Die rechte Szene verfügt über ein enormes Selbstbewusstsein, obwohl die Größe eher überschaubar ist. Völlig unverständliche Zugeständnisse der Behörden wie das Verschweigen des Nazi-Aufmarsches in Kreuzberg im Mai 2011 beflügeln das und vermitteln ein Gefühl der Stärke. Dies muss den Rechten genommen werden.

Ist die Veranstaltung heute ein Startschuss dafür?
Es ist dringend erforderlich, die Betroffenen zu stärken und deutlich zu machen, dass auch auf vermeintlich geringfügige Straftaten wie Schmierereien reagiert werden muss. In der Gesamtschau zählt die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) seit 2009 über 100 Vorfälle, die im Zusammenhang mit der Anti-Antifa-Arbeit der Neonazis stehen. Das ist eine enorme Zahl und diesen Zusammenhang sehen die Ermittlungsbehörden offenbar nicht. Das muss sich dringend ändern.

19 Uhr, Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130

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