Mehr Schutz vor Grüezi & Co.

Schrott-Immobilien: Senator will mit neuem Leitfaden Betrügereien erschweren

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
In diesem Kudamm-Gebäude residierten Grüezi und Braun zeitweilig unter einem Dach.
In diesem Kudamm-Gebäude residierten Grüezi und Braun zeitweilig unter einem Dach.

Die Aufarbeitung des Skandals um den Verkauf von Schrottimmobilien hat begonnen, juristisch als auch politisch. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hat gestern einen Leitfaden vorgestellt, um Verbraucher besser vor betrügerischen Wohnungsverkäufen zu schützen. Zugleich wurde eine weitere Entscheidung des Landgerichts über die Rückabwicklung eines fragwürdigen Immobiliengeschäfts bekannt. Demnach muss die Grüezi-Real-Estate AG eine verkaufte Eigentumswohnung in Schöneberg wieder zurücknehmen und dem Käufer die Kosten von 97 900 Euro plus Schadensersatz zu zahlen.

Der Käufer sei beim Beratungsgespräch unzureichend über die zu erwartenden Mieterträge informiert worden, so die Richter. Zudem habe der Wohnungsvermittler dem Käufer wahrheitswidrig zugesichert, er müsse keine eigenen Zuzahlungen leisten.

Es ist nicht die erste derartige Entscheidung gegen Grüezi. Und diese Firma war eines der Unternehmen, für die auch Michael Braun (CDU) als Notar tätig war, weshalb er im Dezember nach nur zwölf Tagen im Amt als Justiz- und Verbraucherschutzsenator ausscheiden musste. Sein Nachfolger will Grüezi & Co. jetzt das Handwerk legen. Gestern stellte Thomas Heilmann eine Zehn-Punkte-Checkliste online (schutz-vor-schrottimmobilien.de), in der die wichtigsten Prüfkriterien vor dem Kauf einer nicht selbst genutzten Wohnung zusammengestellt sind. »Wir wollen die Leute aufklären und in die Lage versetzen, kluge Entscheidungen zu treffen«, sagte Heilmann. »Es gibt betrügerische Gruppen, die ahnungslosen Käufern Schrottimmobilien aufschwatzen.

Auch wenn Vermittler dies suggerierten: »Es gibt keine 100-Prozent-Finanzierung«. Heilmanns »Kernempfehlung« ist, ohne Verkäufer zur Hausbank zu gehen und die finanziellen Konditionen prüfen zu lassen. Die würde die Lage ihrer Kunden am besten kennen. »Wenn die Hausbank mir die Immobilie nicht finanzieren will, dann ist sie nichts für mich«, konstatierte der Senator und riet: »Vergessen Sie das Thema Steuervorteile«, sagte Heilmann. »Auf dieser Basis darf man keine Wohnung kaufen.« Um Überrumpellungsaktionen unseriöser Vermittler vorzubeugen, empfahl Heilmann dringend, vor dem Kauf neben der vorgesehenen Eigentumswohnung das gesamte Haus einschließlich Dach zu besichtigen und auch mit den Mietern zu sprechen. »Mit dem Kauf einer Immobilie sollte man sich mindestens genau so beschäftigen wie mit dem eines Gebrauchtwagens.«

In Sachen Braun hielt sich Heilmann bedeckt. Er wolle dem Landgericht nicht vorgreifen. Als Aufsichtsbehörde der Notare prüfe es derzeit noch Brauns Rolle, habe aber Zweifel an juristischen Verfehlungen. Nach Ansicht Heilmanns ist die »Schutzwirkung des Notars« ohnehin viel geringer als angenommen. Mit heutigem Wissen würde sich Braun aber sicher anders verhalten, orakelte er.

Laut Heilmann sind derzeit 50 Schrottimmobilien-Fälle angeklagt. Der Notarkammer liegen 18 Beschwerden vor, die Verbraucherzentrale hat seit 2005 141 Fälle registriert. Die Berliner Notarkammer will jetzt eine neue Richtlinie erarbeiten. Bislang kann in Berlin der Kaufvertrag aufgespalten werden in Angebot und Annahme. Der Käufer kann einseitig nicht mehr aussteigen, wenn er das Angebot unterschrieben hat.

Die Regelungen im Notarrecht werden laut Senator aber keine hinreichende Schutzwirkung haben. Er setzt sich für strengere gesetzliche Regelungen ein. So denkt er über die Einführung einer Besichtigungspflicht nach, ebenso über die Konsultation eines unabhängigen Dritten, etwa der Hausbank, sowie das Einholen eines Wertgutachtens. Darüber will er auf der Justizministerkonferenz im Juni beraten. »Gesetzliche Schutzwirkungen dauern aber«, weiß Heilmann.

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