Drehtage auf Diät
Trotz großer Erfolge in 2011 hat Medienboard seinen Filmförder-Etat nicht erhöht
Lisy Christl wird bei der Oscar-Verleihung nicht im Blitzlichtgewitter der Kameras stehen, obwohl sie bestimmt stilsicher und elegant gekleidet ist. Die deutsche Kostümbildnerin ist für die exzellente Ausstattung des englischen Hofes um Elisabeth I und der Londoner Theaterszene in der Ära Shakespeares in Roland Emmerichs »Anonymus« für den begehrtesten Filmpreis der Welt nominiert. Mit ihr hoffen Wim Wenders für seinen Dokumentarfilm »Pina« und die Produzenten vom SCHMITzKatze Filmkollektiv auf den Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film.
Die kleine Berliner Firma steht hinter dem bewegenden Holocaust-Drama »In Darkness« der renommierten polnischen Regisseurin Agnieszka Holland, das kommende Woche in Deutschland ins Kino kommt. Mit einem internationalen Ensemble, zu dem Benno Fürmann, Maria Schrader und Herbert Knaup gehören, porträtiert sie nach einer wahren Begebenheit Juden aus dem Ghetto von Lodz, die sich nach der Flucht vor den Nazi-Schergen jahrelang in der Kanalisation verstecken und von Polen mit Lebensmitteln versorgt werden.
Diesen drei Filmen drückt natürlich auch Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin der Medienboard Berlin-Brandenburg, die Daumen. Sie blickt auf eine eindrucksvolle Bilanz der Filmförderung zurück. Andreas Dresen überzeugte mit »Halt auf freier Strecke« in Cannes, die drei deutschen Filme im Wettbewerb der kommenden Berlinale - »Was bleibt« von Hans-Christian Schmid, Christan Petzolds »Barbara« und Gnade« von Matthias Glasner - wären ohne Steuergelder aus der Region nicht entstanden. Und auch die Lieblinge des Kinojahres 2011, Til Schweigers »Kokowääh« und Detlev Bucks »Rubbeldiekatz«, sind unverkennbar Made in Berlin und Brandenburg, wo das Studio Babelsberg am 12. Februar das 100. Wiegenfest feiert.
Weltstars wie Tom Hanks, Hugh Grant und Halle Berry drehten dort in den vergangenen Monaten hermetisch abgeschottet von den neugierigen Augen der Öffentlichkeit Tom Tykwers mit Spannung erwarteten Film »Wolkenatlas«.
Der indische Frauenschwarm Shah Rukh Khan setzte Berlin mit wilden Verfolgungsjagden in der deutsch-indischen Koproduktion »Don 2« attraktiv ins Bild. Der Action-Film startet am 16. Februar. Neben Indien hat das Medienboard mit Israel eine erfolgreiche Kooperation gestartet, Regisseur Samuel Maoz (»Lebanon«) entwickelte hier im Herbst ein neues Drehbuch. In den Focus rückt Medienboard jetzt das aufstrebende Filmland Brasilien. Die Zusammenarbeit mit Russland wird intensiviert, nachdem im Sommer 2011 endlich das Koproduktionsabkommen unterzeichnet wurde. 15 Projekte bewerben sich um die ersten Fördergelder.
Geld bleibt aber knapp in der Region, beide Länder können ihre Etats für die Unterstützung des Films nicht erhöhen. 24,3 Millionen Euro konnte die Medienboard 2011 an 263 Projekte vergeben. Die Produzenten der geförderten Filme gaben dann 90,4 Millionen Euro in der Region aus. Mit 4,6 Millionen Euro wurde die Digitalisierung von 46 Kinoleinwänden in den beiden Bundesländern unterstützt.
Doch die Zahl der Anträge steigt kontinuierlich. Für die erste Förderrunde 2012 wurde die Förderung von 88 Filmen beantragt, 18,1 Millionen Euro hätten dafür zur Verfügung stehen müssen. Der Etat reicht nur für 41 Projekte, 5,7 Millionen Euro wurden zugesagt.
Den Ansturm erklärt Kirsten Niehuus mit der Zurückhaltung der Fernsehsender. Bei der finanziellen Unterstützung von Dokumentarfilmprojekten wurde bei den öffentlich-rechtlichen Sendern radikal der Rotstift angesetzt. Und auch die Krise der ARD-Spielfilmtochter Degeto ist zu spüren.
Deren mittlerweile suspendierter Geschäftsführer hatte in den vergangenen Jahren weit mehr Spielfilme bestellt als für das Programm benötigt wurden und den Etat kräftig überzogen. Die ARD-Intendanten verordneten der Degeto im November einen Diätplan, der viele Produzenten hart trifft, die fertige Drehbücher in der Schublade haben. Sie klopfen jetzt verstärkt bei den Förderungen an. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf den Landesregierungen, der rentablen Filmproduktion, die viele Arbeitsplätze sichert, künftig kräftiger unter die Arme zu greifen.
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