Niedrigere Wasserpreise via Klage

Verband der Grundstücksnutzer zieht vor Gericht / Opposition kritisiert Senatsstrategie

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) plant, juristisch in die Auseinandersetzung um die Berliner Trinkwasserpreise einzugreifen. »Wir bereiten zwei Klagen vor, eine auf dem zivil- und eine auf dem verwaltungsrechtlichen Weg«, erklärt der Pressesprecher des VDGN, Holger Becker, gegenüber »nd«. Der Verband will damit vor Gericht eine Senkung der Trinkwasserpreise in Berlin erzwingen, deren Höhe derzeit vom Bundeskartellamt in einem Verfahren geprüft wird.

Der Streit um die Trinkwasserpreise in Berlin bekommt somit in naher Zukunft eine zusätzliche juristische Dimension. Zweigleisig fährt der VDGN, der bereit ist, durch alle Instanzen zu gehen, weil es noch keine Grundsatzentscheidung der Gerichte gibt, auf welcher Grundlage die Berliner Trinkwasserpreise berechnet werden: als Preis oder Gebühr.

»Wenn es sich um einen Preis handelt, dann gilt das Kartellrecht«, sagt Holger Becker. Die Senkung um 19 Prozent, die das Bundeskartellamt jüngst in einer ersten Stellungnahme forderte, müsste dann umgesetzt werden.

Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) hingegen wehren sich gegen die kartellrechtliche Prüfung, weil aus ihrer Sicht über die landesrechtliche Grundlage des Betriebe-Gesetzes eine Gebühr festgelegt wird. Würden die Gerichte der Argumentation der BWB folgen, stellt sich laut VDGN die Frage, was aus den dreistelligen Millionengewinnen wird, die die Wasserbetriebe jährlich anteilig an das Land Berlin und die privaten Gesellschafter Veolia und RWE abführen. Diese beiden Unternehmen haben sich 1999 in die teilprivatisierten Wasserbetriebe in Berlin auf Jahrzehnte eingekauft. »Wenn es tatsächlich eine Gebühr ist, müssten die Wasserbetriebe das Kostenüberdeckungsverbot beachten«, meint Becker. Dieses schreibt vor, nur so viel an Gebühren zu erheben, wie auch Kosten entstehen. Gewinn dürfe nicht erzielt werden. Während die Klärung der juristischen Grundsatzfrage Preis oder Gebühr aussteht, dreht sich das Bundeskartellamtsverfahren in Richtung einer möglichen Preissenkungsverfügung die Trinkwasserpreise betreffend weiter.

Bis zum 30. Januar dieses Jahres hatten die Wasserbetriebe eine Fristverlängerung erwirkt, um auf die Forderung des Bundeskartellamts, die Trinkwasserpreise in den nächsten drei Jahren um 19 Prozent zu senken, zu reagieren. Über den Umfang und den Inhalt der pünktlich abgeschickten Erwiderung will BWB-Sprecherin Astrid Hackenesch-Rump nichts Detailliertes sagen - auch aus »Fairness« gegenüber dem Bundeskartellamt, welches die Begründung erst einmal studieren soll. Nur: »An der Argumentation der Wasserbetriebe hat sich nichts Grundlegendes geändert«, sagt Hackenesch-Rump. Bis zum März erwartet man bei den Wasserbetrieben eine Entscheidung des Bundeskartellamts.

Für Aufregung in der Auseinandersetzung um die Wasserpreise sorgte jüngst auch die Entziehung des Mandats des Senatsbeauftragten für das Bundeskartellamtsverfahren, dem Finanzexperten Markus Kerber, durch Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos). Von Obernitz hatte betont, die Trennung habe lediglich formale Gründe gehabt, weil Kerbers Auftrag mit der Stellungnahme der Wasserbetriebe Ende Januar erledigt gewesen wäre. Kerber selbst machte jedoch Schwierigkeiten in der Kommunikation mit dem Senat für seine Ablösung verantwortlich. Dass kurz vor dem Höhepunkt des Bundeskartellamtsverfahrens der Experte des Landes geht, nimmt die Opposition zum Anlass, auf eine Strategielosigkeit von Rot-Schwarz hinzuweisen. »Der Finanzsenator wälzt die Verantwortung auf andere ab und die Wirtschaftssenatorin und Aufsichtsratsvorsitzende tut nichts«, bemängelt Klaus Lederer (LINKE). Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ramona Pop, sprach in diesem Zusammenhang von »Desinteresse und Untätigkeit«. Ähnlich äußerten sich die Aktivisten aus dem Umfeld des Berliner Wassertisches, die den erfolgreichen Volksentscheid zum Berliner Wasser durchgesetzt hatten.

Und was sagt der Senat selbst? Aus dem Hause von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) heißt es, solange die Verhandlungen mit RWE über einen Rückkauf der BWB-Anteile laufen, halte sich Senator Nußbaum aus den Wasserbetrieben heraus. Sybille von Obernitz lässt über ihre Sprecherin mitteilen: »Das Ziel, für die Berlinerinnen und Berliner langfristig akzeptable Wasserpreise zu ermöglichen, und zugleich die Berliner Wasserbetriebe zukunftsfähig auszurichten, verfolgen die zuständigen Senatsverwaltungen in enger Zusammenarbeit.«

Aber was versteht der Senat unter langfristig akzeptablen Wasserpreisen? Mal abgesehen davon, dass die ebenfalls hohen Abwasserpreise zumindest in dem Bundeskartellamtsverfahren keine Rolle spielen, weil die Behörde nur die Trinkwasserpreise prüft. Darüber hinaus befindet sich der Senat aber in einem Dilemma: Einerseits will er sich für niedrigere Trinkwasserpreise einsetzen, andererseits sind die millionenschweren Einnahmen ein willkommener Geldzufluss in den schuldengeplagten Haushalt.

Mit den Gewinnen rechnet der Senat anderslautenden Bekenntnissen zum Trotz offenbar auch in den nächsten Jahren: Im Haushaltsentwurf 2012/2013 zumindest sind unter dem Posten »Gewinne aus Unternehmen und Beteiligungen« für 2012 Einnahmen von exakt 370 Millionen Euro vorgemerkt und fürs Jahr 2012 rund 357 Millionen Euro. Dabei geht es selbstverständlich nicht nur um die Gewinne aus dem Wassergeschäft. Doch 2010 waren es immerhin 130 Millionen Euro, die von den Wasserbetrieben an das Land flossen. Damit, so scheint es, wird auch in Zukunft gerechnet.

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